"Geschichten aus dem Wienerwald" von schräg bis harmonisch

Von Michael Wruss   16.März 2015

Mit großem Applaus endete am Samstag im Theater an der Wien die Premiere von HK Grubers Oper "Geschichten aus dem Wienerwald", die 2014 bei den Bregenzer Festspielen uraufgeführt wurde.

Das Libretto, das Ödön von Horváths "Volksstück" in eine operngerechte Länge kürzt und dabei zwangsweise dem Charakter ein wenig von seiner Vielschichtigkeit nimmt, stammt von Michael Sturminger, der auch Regie führt. Sturminger ändert nicht die Zeit der Handlung, lässt das Stück aber in Bühnenbildern und Kostümen (Renate Martin, Andreas Donhauser) in einer unbestimmten Vergangenheit. Oskars Fleischerladen-Fassade ist gekachelt und erinnert an die 60er-Jahre, in denen es auch in Österreich bergauf ging. Also keinesfalls jene Wirtschaftskrisensituation wie Ende der 20er Jahre.

Ein Aspekt von Horváths Stück macht es jedoch schwierig, eine einheitliche Musik dazu zu erfinden. Nämlich der Umstand, dass Musik wesentlicher Faktor des Stückes selbst ist. Ständig wird Musik gehört und der Text bezieht sich auf Musik. Das ist auch in HK Grubers Partitur der Fall. Es bleibt gar nichts anderes übrig, als die Musik des Stücks zu zitieren – so Puccini oder der unvermeidliche Walzer gleichnamigen Titels von Johann Strauß. Doch Gruber ist ein Meister, sodass er die scheinbare stilistische Zerrissenheit ins Konzept seiner Musik integriert und mit plakativ humoristischen, aber auch feinen Zügen umsetzt. So entsteht eine stark interpretierende und die Personen charakterisierende Partitur, die mit einer Flut an musikalischen Versatzstücken – von schräg bis harmonisch – spielt.

Wie in vielen Inszenierungen kommt Valerie eine besondere Bedeutung zu, die Angelika Kirchschlager perfekt umsetzt und musikalische Dreh- und Angelpunkte gestaltet. Jeglichen Ehrgefühls beraubt und an sich selbst und an der Gesellschaft zerbrechend, so gestaltet Ilse Eerens hervorragend die Marianne. Großartig auch ihr wandlungsfähiger Sopran, der diese Zerbrechlichkeit erfahrbar werden lässt. Albert Pesendorfer ist ein gewichtiger Zauberkönig, der den Charakter fein zeichnet und zwischen einfältiger Borniertheit, Aggression und liebevollem Familienoberhaupt schwankt. Oskar ist von HK Gruber fast für einen Heldentenor geschrieben, den Jörg Schneider bestens verkörpert. Ein Besessener, der beinahe alles akzeptiert und Marianne auf Händen tragen würde und zum Schluss auch darf – die Horváthsche Dämonie dahinter bleibt ausgespart. Daniel Schmutzhards Alfred erzielt nicht den erwarteten Effekt. Großartig Anja Silja als bitterböse Großmutter. Die restlichen Rollen waren ideal besetzt und trugen mit den klangvoll unter HK Grubers Leitung musizierenden Wiener Symphonikern, dem Vokalensemble Nova und dem Jazzorchester Vorarlberg viel zum großen Erfolg bei.

Oper: "Geschichten aus dem Wienerwald", Theater an der Wien, Premiere 14. 3.

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