Gefangen im Körper eines 73-Jährigen
Nicht, dass früher alles besser gewesen sei – aber das meiste schon. Das sagt Christian Ludwig Attersee, der gestern die Ausstellung „Das Fruchtsein“ mit durchwegs neuen Arbeiten in der Galerie Schloss Parz den Medien präsentierte.
Am Sonntag (20. Oktober, 19 Uhr) wird die bis 23. Februar währende Schau eröffnet.
Früher war auch einiges billiger. In Parz kostet ein zwei mal zwei Meter großes Attersee-Gemälde 130.000 Euro. Die kleinsten Werke (31,5 x 22 Zentimeter) beginnen bei 3500 Euro.
Nein, um schöne Bilder dürfe es nie gehen. „Die Aufgabe der Kunst ist es, das zu zeigen, was man nicht sieht“, sagt Attersee. Aber wie stellt man das an, in einer Zeit der Überfütterung mit Bildmaterial aus aberwitzig vielen Medien? Der Mensch leide unter dieser Bilderflut, das ärgert diesen unruhigen Geist, der wie im Körper eines 73-Jährigen eingesperrt wirkt. Grantig kann er auch ob der Kunst-Flut werden: „Ich war damals noch ein Wettkämpfer gegen andere junge Künstler, in Wien gab es drei Galerien, heute sind es 180.“ Die Kunst-Universitäten seien dabei, das Handwerk zu ruinieren, „indem sie über Kunst nur Vorträge halten und Klassen einsparen.“ In der Kunst müsse vor allem gearbeitet werden. „Wenn ein Maler nicht malt, sondern nur Vorträge hört, dann wird das nichts.“ Die Postmoderne, die das Alte zitiert, zitiert und noch einmal neu zitiert, macht ihn zornig. Attersee: „Seit den 70er Jahren entwickelt sich nichts mehr weiter. Ich allein kann das nicht ändern, ich bin mit meinem Werk am Ende eines Lebens angelangt.“ Außerdem eine gegenwärtige Katastrophe: die vielen schlechten Künstler! Zum Beispiel? Attersee: „Die sucht sich jeder selbst, dafür hab’ ich keine Zeit.“ Die Kunst verlange nach einer neuen Klarheit, nach einer neuen Schlichtheit.
Opern-Inszenierung in Linz
In Parz wechseln einander in vier Räumen kleine Zyklen, deren Bilder wie Buchillustrationen aussehen, mit farblich satten und metaphorisch wild interpretierbaren Werken ab. Die Bildtitel reflektieren die lange kultivierte Attersee-Sprache – sie heißen „Fuchsrosenrundum“, „Grasfleisch“, „Herz–ernte“ oder „Das apfelblaue Meer“. Es sind Mischtechniken auf Karton oder Acryl und Lack auf Leinwand, insgesamt 72 Arbeiten. Es könnten auch Bühnenbilder sein, die man besteigen und mit eigenen Fantasien ausstatten kann.
Seine Rastlosigkeit wird Attersee auch wieder zur Musik und nach Linz bringen, wo er wie in Aschach an der Donau aufwuchs. Zusammen mit Brucknerhaus-Chef Hans-Joachim Frey bastelt er an einer Oper in der Tabakfabrik: „Ich habe für Frey in Bremen die Salome inszeniert, für Linz sucht Frey noch nach einem Werk.“
Unverwüstlich scheint auch seine erotische Wahrnehmung zu sein, die Attersee aber nicht als Sexualität, der man in einem fort nachjagt, verstanden wissen will: „Seit 2000 Jahren haben wir eine katholische Gesetzgebung. Nur ist das Christentum die langweiligste Religion, weil es die Lebensfreude mit Leid besetzt. Sexualität und Erotik waren bei uns auch lange durch die Kirche und durch die ÖVP unterdrückt. In der neuen Freiheit hat die Erotik die Aufgabe, andere Bereiche mit hereinzunehmen: wir sollten das Leben, das Wetter, Gegenstände über Erotik empfinden.“ Was hält er andererseits davon, dass seine Ausstellung von ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter eröffnet wird? Attersee: „Sie wird nicht mehr lange Finanzministerin sein. Aber ich hab’ mich auch darüber gewundert… Abseits der Politik ist sie aber eine lustige und ganz gebildete Person. Ich habe trotzdem lieber jemanden, der über Kunst spricht.“ Beim Gehen ruft Attersee hinterher: „Hauptsache, die Bilder sind gut!“
Früher war auch einiges billiger. In Parz kostet ein zwei mal zwei Meter großes Attersee-Gemälde 130.000 Euro. Die kleinsten Werke (31,5 x 22 Zentimeter) beginnen bei 3500 Euro.
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Zwischen Wollen und Kriegen ist halt auch eine ordentliche Differenz, der Maestro jeiert jahrelang schon auf der gleichen Schiene dahin, jeder der des Sehens mächtig ist, wird dies bestätigen.
Dass die "atterseeische" Geldbeschaffungsmaschine immer noch funktioniert, wundert eigentlich, aber besonderen Eindruck werden seine immer gleichen Bilder auf die Nachwelt nicht machen.
Der Markt bestimmt den Preis, geschicktes Marketing kann ihn hoch festsetzen, aber a la longue wird er ins Bodenlose fallen.