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"Es gibt nur einen Weg aus dem KZ: Siehst du den Schornstein da, Rukeli?"

Von Helmut Atteneder, 31. Jänner 2015, 00:04 Uhr
"Es gibt nur einen Weg aus dem KZ: Siehst du den Schornstein da, Rukeli?"
Gregor Bloéb als Rukeli (links) boxt gegen Raphael von Bargen als Lagerkommandant Wolf um sein Leben. Bild: Reismann

Großes Theater: Josefstadt-Uraufführung des NS-Dramas "Der Boxer" von Felix Mitterer.

Der richtige Johann Trollmann, genannt Rukeli ("Das Bäumchen"), tänzelte beim Boxen wie Cassius Clay, war ein Womanizer außerhalb des Rings, wollte Spaß haben im Leben. Er hatte nur ein Problem: Er sah sich als Deutscher, doch für die Nazis war er ein Zigeuner. Falsche Zeit, falscher Ort. Ein sehr richtiger Ort war das Theater in der Josefstadt als Schauplatz der Uraufführung von Felix Mitterers NS-Drama "Der Boxer". Am Ende verschlug einem die Inszenierung die Sprache, manche weinten, andere hatten Magenbeschwerden. Das sinnlose Ende eines Lebens – schon oft gesehen in Filmen und auf Bühnen, wenn es um Schicksale aus der NS-Zeit ging. So auch diesmal. Doch diesmal anders.

Menschenschreiber Mitterer

Das lag in erster Linie daran, dass Felix Mitterer ein begnadeter Menschenschreiber ist. Das lag auch daran, dass Regisseurin Stephanie Mohr ihr Ensemble behutsam ausgesucht hat. Mit einem großartigen Gregor Bloéb, der nach "Jägerstätter" wieder zeigt, dass er weit mehr ist und kann als der geile Skilehrer-Typ. Bloéb ist Rukeli, ist jede Sekunde präsent, er tänzelt, schlägt, steckt ein, liebt, leidet, wird entmannt und im KZ zum boxenden Tier. Dort stirbt er als ein "Nichts namens 9841".

Aber er ragt nicht heraus, er überhöht die Hauptrolle nicht. Er integriert sich in ein Ensemble penibel herausgearbeiteter Charaktere. Da ist eine Truppe am Werk. Eine vielmehr wahrhaftige denn spielende Masse. Das ist das Verdienst von Stephanie Mohr. Sie lässt das Stück für sich stehen, sie ist sensibel genug, das Schreckliche nicht noch schrecklicher machen zu wollen. Die Boxszenen sind glaubhaft inszeniert und werden in ihrer Wucht über Sandsäcke verstärkt. Sandsäcke sind auch der rote Faden des Bühnenbildes von Florian Parbs. Sie dienen als Boxgeräte, als Schlachtfeld, als Arbeitslager. Ansonsten ist die Bühne rustikal reduziert. Nichts fehlt.

Raphael von Bargen gibt als ach so deutsch boxender Reinhard Wolf und später als Lagerkommandant eine faszinierend grausige Nazi-Seelenschau preis, die in diesem Satz gipfelt: "Es gibt nur einen Weg aus dem KZ. Siehst du den Schornstein da, Rukeli?"

Peter Scholz als Polizist Heinz Harms sei auch herausgehoben. Er gibt den Mitläufer vom Typ "Ich hatte eben meine Befehle...". Mit menschlichem Seelenkern, letztlich aber ohne Mumm. Solche wie ihn gab es damals wohl viele.

Am Ende hat sich Mitterer über die historische Wahrheit hinweggeschrieben. Er setzt einen versöhnlichen Akt. Für, nicht gegen das Leben. Rukeli lebt, aber er wird deswegen nicht mehr lebendig.

 

Nach der Premiere: Jetzt braucht Bloéb etwas Seichtes

Felix Mitterer ist keiner, der gerne auf Premierenfeiern den Zampano spielt. Auch am Donnerstagabend im Theater an der Josefstadt nicht, nachdem klar war, dass sein NS-Drama „Der Boxer“ ein großer Bühnenerfolg geworden ist. Vor der Premiere kauerte der Tiroler geduckt in seinem Theaterstuhl, hielt beide Daumen und sagte: „Möge es gelingen“. Es gelang.

Dem Premierenpublikum verschlug es nach dem letzten Vorhang die Sprache, einer der ersten, der sie wieder gefunden hatte, war Schauspieler Michael Ostrowski: „G’scheit daherreden bringt jetzt nichts, ich muss nachdenken. Es wirkt noch.“ Nina Proll, Schauspielerin und Gattin von Hauptdarsteller Gregor Bloéb: „Ich war sehr angespannt und bin jetzt gelöst. Als ich das Stück gelesen habe, war es für mich unspielbar. Es ist aber gelungen, dieses schwere Stück für die Bühne zu übersetzen.“

Erwin Steinhauer verließ das Theater ebenso schnell wie Tobias Moretti, der Bruder Bloébs. Steinhauer: „Das ging sehr tief, mehr kann ich nicht sagen.“ Felix Mitterer, der mit Regisseurin Stephanie Mohr und Gregor Bloéb 2013 mit „Jägerstätter“ einen großen Erfolg feierte, war „nur noch froh, dass das Stück jetzt auf der Bühne ist“. Mit Bloéb und Mohr wolle er gerne weiterarbeiten, wobei: „Gregor hat gesagt, nach der Hölle mit Jägerstätter und dem Boxer braucht er jetzt eine seichte Komödie.“ Zurückhaltend war auch Wolfgang Trollmann, Johann Rukeli Trollmanns Neffe. „Ich bin ein stolzer Sinto und stolz auf meinen Onkel, den ich leider nie kennengelernt habe. Das Stück macht mich traurig, aber es ist gut, dass es geschrieben worden ist“. (att)

 

Theater: Uraufführung "Der Boxer" von Felix Mitterer, Theater in der Josefstadt, 29. Jänner.

OÖN Bewertung:

 

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