Es geht gar nicht um Schuld
Kino: Im Film "Einer von uns" hat Regisseur Stephan Richter den Todesschuss in Krems 2009 aufgearbeitet. Premiere ist heute.
Ein Schuss aus der Waffe eines Polizisten beendete am 5. August 2009 das Leben eines damals 14-Jährigen in einem Supermarkt in Krems (Mehr im Kasten). Stephan Richter hat diese Tragödie aufgegriffen und 2014 im Welser "Welas Park" den Film "Einer von uns" gedreht. Für ihn bildeten dafür "eine pubertäre Mutprobe und eine Situation, die völlig unerwartet eskaliert ist" den Kern.
OÖN: Ihr Film ist sehr ruhig. Der Fall selbst erschien aber extrem "laut", hoch emotional.
Stephan Richter: Die "Lautstärke" der Diskussion war ja gerade das Problem. Viele Menschen hatten eine Meinung, aber wenige wussten, was passiert war und vor allem, was das eigentliche Problem ist. Es ist am Ende eine kleine, sehr menschliche Geschichte. Mir lag es fern, den Vorfall für ein billiges Betroffenheitskino zu missbrauchen.
Auf dem Boden im Supermarkt zu sterben bringt das Thema "Würde" auf. Worin versagen – anhand der Schicksale der Buben im Film – Systeme im Land, um Jungen Würde zu geben?
Im Film geht es in erster Linie um eine fehlende Kommunikation innerhalb einer kleinen Gemeinschaft. Es wird wenig aufeinander geachtet, sehr schnell geurteilt, wie es der 16-jährige Marko nach seiner Rückkehr aus dem Gefängnis erfahren muss. Der 14-jährige Julian und seine Freunde werden am Parkplatz vor dem Supermarkt zwar geduldet, solange sie brav den Regeln folgen, aber im Grunde interessiert sich kaum jemand für ihre Lebenswelten. Und die sind chaotisch, lebendig und widersprüchlich. Das ist Pubertät. Es geht im Film nicht darum, wer Schuld hat. Mir war es wichtig, dass die Menschen dieses Lebensgefühl spüren, nachvollziehen können, wie schnell so etwas passieren kann.
Wie hat die Polizei auf Ihr Filmvorhaben reagiert?
Natürlich hat die Polizei generell Interesse daran, dass so ein Vorfall aufgearbeitet wird. Es war ihnen auch bewusst, dass viele Fehler passiert sind, vor allem in Bezug auf angemessene Einsatzroutine bei einem Supermarkt-Einbruch. Sie waren meist kooperativ. Es gab auch kritische Stimmen aus Niederösterreich und Krems. Für mich war es aber sehr wichtig, die Beweggründe aus Polizeisicht genau zu kennen. Daher habe ich immer wieder Kontakt zu Polizisten oder Ausbildern aufgenommen. Ich habe versucht, ihnen klar zu machen, dass es wichtig ist, die Fehler zu zeigen, um den Beamten nicht einfach als kaltblütigen "Killer" zu zeigen. Fehler sind menschlich. Das versteht der Zuseher.
Premiere in OÖ: heute, 20 Uhr, 20.15 Uhr, im Star Movie Wels. Am 20. 11. läuft er bei der heute startenden "Youki" in Wels, 19 Uhr youki.at, starmovie.at
Schüsse und Folgen
Ereignis: Zwei Jugendliche lösten frühmorgens am 5. 8. 2009 den Alarm in einem Supermarkt in Krems-Lerchenfeld aus. Zwei Polizeibeamte untersuchten das Gebäude, wenig später fielen Schüsse. Einer davon traf den Jüngeren, damals 14, tödlich. Der Ältere, 16, erlitt zwei Oberschenkeldurchschüsse. Der Fall polarisierte die öffentliche Meinung. Der verantwortliche Polizist wurde zu acht Monaten bedingter Haft wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen verurteilt.