Eine geniale Mühlviertler Moritat
Stefan Leonhardsbergers "Rauhnacht" ist eine Sternstunde des vom jungen Freistädter selbst erfundenen, bitterbösen Genre-Mix aus Schauspiel, Musik, Kabarett und Pantomime.
Silvester in der fiktiven Mühlviertler Gemeinde Engelberg. Es ist der letzte Tag des Jahres – ja, auch –, vor allem aber ist Raunacht. Die Altbäuerin warnt davor – gebückt und schmatzend sagt sie: "In da Raunocht derf a Diandl ned außigeh!" Wie wahr, denn da draußen sind böse Geister. Wie abgrundtief die Welt im engen Engelsberg ist, wagt da noch niemand zu denken: Die Ausgangslage von Stefan Leonhardsbergers "Rauhnacht, eine Neujahrstragödie", einem ...
Ja, was ist das eigentlich, das der Mühlviertler Schauspieler, Musiker, Akrobat, Kabarettist, Sänger und Pantomime da bei der Österreich-Premiere im ausverkauften großen Saal des Linzer Posthofs auftischt?
Neun Charaktere
Es ist ein Mix aus all den Talenten des 32-Jährigen, unterstützt vom begabten Gitarristen Martin Schmid und Regisseur und Co-Autor Paul Klambauer. Dieser agiert auch als stets wachsamer Lichttechniker, der diesem merk- und denkwürdigen Abend die stimmige Hardware übergestülpt hat. Schmid spielt alle technischen Anforderungen ein, vom Wählscheiben-Telefon bis zur Silvesterknallerei.
Schnell entwickelt sich bei dieser Mühlviertler Moritat ein fantastisches Stakkato, eine geniale Verquickung von Slapstick, von Erfundenem und Realistischem auf der Bühne. Stefan Leonhardsberger spielt neun Charaktere, vom besorgten Bauern über die für die Karriere über Leichen gehende Tochter des fremdgehenden und für sein liederliches Leben just zu Neujahr bestraften Schotterbarons Rudolf Röblreiterer bis hin zu dessen buckelndem, stets auf Ausgleich bedachtem Vorarbeiter. Dabei verliert Leonhardsberger nie die Fassung, gibt jeder Rolle die gleich liebevolle Beachtung und überdreht bei aller Skurrilität nie. Eine wahre Kunst.
Aberwitzig, detailverliebt
Die Handlung ist aberwitzig, fantastisch, jedoch immer auch detailverliebt und mit einem roten Faden, den Leonhardsberger perfekt geschnürt hat. So schnell dieses künstlerische Konglomerat zeitlich auch verfliegt, es bleibt immer nachvollziehbar. Es darf viel gelacht werden, immer aber auch darf dieses Lachen ersticken. Etwa, wenn der Höllerbauer seine nach der Silvesternacht nicht nach Hause gekommene Tochter Nora sucht. Damit die Altbäuerin Ruh’ gibt, setzt er sie in ihren "elektrischen Stuhl".
Ein Weg führt zum Schotterbaron. Die Röblreiterin geht mit ihrer Jugendliebe fremd, während ihr Mann im Koma liegt. Ehe er – von einem Schlaganfall gezeichnet – kurz zu Bewusstsein, nicht aber zur Besinnung kommt. Seine Zwillinge taugen als Firmenerben nichts. Sie träumen von einer Karriere als Youtube-Stars, und der Vater verwechselt Robert und Roland bis zum letzten Atemzug. Wieder so ein Kleinod, das ein Lachen provoziert – angereichert mit Nachdenk-Essenz.
Am bitteren Ende kommt es zum Showdown. Alles fliegt in die Luft. Alle über die Jahre aufgebauten Scheinwelten stürzen ein, virtuelle wie reale. Ein fantastischer Abend, eine Sternstunde für ein Genre, das wohl keiner so beherrscht wie sein Erfinder Stefan Leonhardsberger.
"Rauhnacht": Von Stefan Leonhardsberger und Martin Schmid, Österreich-Premiere, 12. Jänner, Posthof Linz.
OÖN Bewertung: