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Ein erzählender Mann wird 90

Von Christian Schacherreiter, 23. März 2017, 00:04 Uhr
Ein erzählender Mann wird 90
Sein Blick auf das Kleinbürgertum ist so glasklar wie berührend. Bild: EPA

Der deutsche Schriftsteller Martin Walser löste auch politische Kontroversen aus.

In den frühen Neunzigern dirigierte Marcel Reich-Ranicki im Salzburger Landesstudio des ORF einen Österreich-Auftritt seines "Literarischen Quartetts": Er attestierte dem Autor Martin Walser, er sei zwar ein kluger Kopf, aber kein wirklich guter Erzähler. Im selben Augenblick donnerte es so furchterregend, als dränge Gottes Groll durch die Mauern. Reich-Ranicki blickte erschrocken nach oben und sagte: "Man wird doch noch etwas gegen Walser sagen dürfen."

"Tod eines Kritikers"

Der Kritiker-Papst und der teils kritische, teils empathische Chronist des deutschen Provinzbürgertums wurden nie Freunde. Für die vielen bösen Sätze Reich-Ranickis rächte sich der Schriftsteller mit dem Roman "Tod eines Kritikers" (2002), in dem ein Autor verdächtigt wird, den verhassten Literaturkritiker André Ehrl-König ermordet zu haben. In dessen Figur war unschwer Reich-Ranicki zu erkennen. Man unterstellte Walser Antisemitismus, der Suhrkamp Verlag ging in die Knie – und Walser publiziert seither bei Rowohlt.

Dieser Skandal war der vorläufige Schlusspunkt in einer Reihe öffentlicher Aufregungen, die Martin Walser verursacht hatte, seit er sich in den Achtzigern von der Linken distanziert hatte. 1988 bekannte er sich in einer Rede zu seinem politischen Traum von einem wiedervereinigten Deutschland und bezog mediale Prügel. Ein Jahr später sollte Walsers deutscher Traum Wirklichkeit werden, seine Kritiker verstummten. Zehn Jahre später griff Walser in seiner Friedenspreisrede (1998) ein ganz heißes Eisen an. Er polemisierte gegen die deutsche Vergangenheitsbewältigung in Sachen Nationalsozialismus als leer gewordenes Ritual. Obwohl nicht alles falsch war – ähnlich wie später Günter Grass hätte er wissen müssen, dass sich ein deutscher Intellektueller mit solch einer Positionierung nur die Finger verbrennen kann.

Polemik gegen Deutschland

Aber im Vordergrund stehen sollen, wenn es gilt, Martin Walser zum Neunziger zu würdigen, seine Werke. Nach surrealistischen Anfängen fand er mit seinem ersten Roman "Ehen in Philippsburg" (1957) zum realistischen Erzählen. Mentalitätshistorisch aufschlussreich sind "Brandung", "Schwanenhaus", "Ein fliehendes Pferd". Niemand sonst hat den deutschen Kleinbürger, sein alltägliches Versagen, aber auch sein stilles privates Unglück und seine Liebenswürdigkeit mit so klarem Blick erfasst wie dieser Autor.

Walser wurde in Wasserburg am Bodensee geboren, er ist seiner Herkunftsregion treu geblieben, als Bürger und als Schriftsteller. Seine späten Werke ("Angstblüte", "Ein sterbender Mann") kreisen etwas obsessiv um das Thema Alter liebt Jugend, aber der Roman "Ein liebender Mann" über die aussichtslose Liebe des greisen Goethe zur 19-jährigen Ulrike Levetzow gehört zum Berührendsten, das Martin Walser geschrieben hat.

 

Lesetipps

Ein liebender Mann: Der alte Goethe verliebt sich in die 19-jährige Ulrike von Levetzow – sprachliche Kraft treffen auf wuchtige Empfindungen. Rowohlt, 284 Seiten, 120,30 Euro.

Ein fliehendes Pferd: Zwei Paare treffen am Bodensee aufeinander. Die Männer – ein Journalist und ein Lehrer – sind Schulfreunde mit völlig unterschiedlichem Lebensweg. Suhrkamp, 160 Seiten, 5,99 Euro.

Ehen in Philippsburg: Der 1957 erschienene Roman begründete Walsers Ruhm und bescherte ihm den Hesse-Preis. Macht, Karriere Wohlstand und Seitensprünge in bürgerlichen Kreisen zu Zeiten des Wirtschaftswunders. Suhrkamp, 352 Seiten, 10,30 Euro.

Ein springender Brunnen: Spiegelung der idyllischen Enge einer Dorfbevölkerung am sich ausbreitenden Nationalsozialismus durch die Augen eines Zeitzeugen. Suhrkamp, 413 Seiten, 26,80 Euro.

 

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