Ein Zirkus an Lustbarkeiten

Von Nora Bruckmüller   14.Juli 2017

Wem sich Shakespeares Werk erschlossen hat, der verehrt ihn. Wer bei seiner Dichtung bloß Bahnhof versteht, verzweifelt an ihm. Joachim Rathke hat mit seiner Inszenierung von "Romeo und Julia" nun ein Erlebnis geschaffen, das die einen und die anderen weiterbringt. Die Liebhaber, weil er die Tragödie um das Paar, das der gegenseitige Hass ihrer Familien in den Tod treibt, vortrefflich in die Moderne versetzt und Shakespeares Wissen über die Natur des Menschen einmal mehr ehrt. Die Skeptiker, weil Rathke keine falsche Ehrfurcht kennt und den Dichter so nahbar macht.

Rathkes Inszenierung ist lustig, reizvoll überdreht. Ein Zirkus an Lustbarkeiten, der sich um einen gegenwärtigen Konflikt dreht: Julias Capulets sind reiche, radikale Rechte, Romeos Montagues linke Genossen. Dass die Väter Puppen (Rebekah Wild) sind, ist ein gelungener Kniff, der an die Kleinlichkeit erinnert, in der sich ideologische Debatten verfangen.

Bettina Buchholz schenkt Signor Capulet als Puppenspielerin ein herrlich heiseres Timbre. Sabine Martin lässt Montague ordentlich "antauchen", ein moralisierendes Großmaul. Sie streiten um zehn Zentimeter Grund. Eine Bagatelle, die die Gefühle zur Weltanschauung aufkochen lässt, sodass Graf Paris – Simon Kirschner, der auch als Burschenschafter Tybalt besticht – die Füßchen des stolzen Capulets sofort zum Abgang ausrichten muss – Szenenapplaus!

Sozi-Bankert trifft Capulette

Die Werktreue belässt Rathke dort, wo sie hingehört – beim Liebespaar. Daniel Jeromas Romeo sprüht vor heiterer Liebestrunkenheit, Nora Dirisamer ist seine zauberhaft elektrisierte Julia. Bemerkenswerte Anhänger umspielen sie. Martin gibt Julias herzhaft schamlose Nanny. Auf Romeos Seite lässt Markus Subramaniam als "Sozi-Bankert" Mercutio die Sau raus, wenn er "Capulette" Tybalt foppt. Einhalt gebietet ihm Julia Frisch als leidenschaftlich feministische Cousine. Altes und Neues halten das Ensemble mit bezauberndem Gesang zusammen – und Sven Kaschte, der in fünf Rollen schlüpft: vom abgebrühten Pater Lorenzo bis hin zum Regisseur vom "Spiel im Spiel". Letzteres ist ein bissiger Kommentar auf den Theaterbetrieb und seine Klischees. Ein gelungener Abend!

Theaterspectacel Wilhering: "Romeo und Julia", Premiere, 12. Juli

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