Ein Vegetarier, der sich als König der Menschenfresser verkleidet
Gefeierte Premiere von Felix Mitterers Drama "In der Löwengrube" in Wiener Theater in der Josefstadt.
Im Theater in der Josefstadt hat sich die reale Vorlage dieses Dramas zugetragen, hier hätte die Uraufführung von Felix Mitterers "In der Löwengrube" vor 20 Jahren stattfinden sollen. Aber nein, der damalige Josefstadt-Chef Otto Schenk bewertete das Stück als "Frechheit", die besser in einem Kellertheater aufgeführt werden sollte, die österreichischen Nationalsozialisten seien ja gar nicht so arg gewesen wie die deutschen. Mitterers Arbeit wanderte ins Volkstheater, wo es mit Erwin Steinhauer in der Hauptrolle von Kritik und Publikum gefeiert wurde. Jahre später bereute Schenk seine Entscheidung als Fehler.
Am Donnerstag breitete sich "In der Löwengrube" endlich in der Josefstadt aus – anlässlich des 70. Geburtstags des Dramatikers am 6. Februar. Die Geschichte des Schauspielers Leo Reuß, der bei Mitterer Arthur Kirsch heißt und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus dem Theater geworfen wird, weil er Jude ist. Ein Jahr später kehrt er mit blondiertem Haupthaar und Bart zurück, spielt den Vorzeigearier Benedikt Höllrigl aus dem Tiroler Ötztal mit alternativloser Beherztheit, der neben seiner subtil eingefädelten Rache an den Denunzianten auch in der Titelrolle von Schillers "Wilhelm Tell" triumphiert. Regisseurin Stephanie Mohr weiß, wie Mitterers Stücke anzupacken sind. Drei davon hat sie uraufgeführt. Sie verwandelt die Zielstrebigkeit des Textes zum dramatischen Gebäude, in das man ihr gerne folgt.
Zentrum und Beobachter
Mit einer erhöhten Drehbühne (Miriam Busch) ist der Kreislauf dieser Zeit umrissen, mit dem Florian Teichtmeister (Kirsch) etwas Brillantes anstellt. Er wuchtet das prahlerische Tiroler Selbstverständnis so famos spielerisch, wie er den stillen Juden bei dessen letztem Ausweg ziseliert. Als polternder Edel-Nazi schafft er obendrein den Typus eines Vegetariers, der sich zum König unter Menschfressern krönt, weil er nicht anders kann. Er ist Zentrum und Beobachter in einem, also sieht er, wie sich seine ehemalige Frau (Bravo für Pauline Knof) im Handel für Diven-Status an die Widerwärtigen verschenkt. Theatermacher Meisel (Peter Scholz) will nichts als Theater machen, Bühnenmeister Eder (Alexander Strobele) ist die alte, reine Seele des Betriebs, die Kirsch hilft, weil sie schweigt. Alexander Absenger stellt eine zu eifrige Nazi-Stereotype Strassky auf die Bühne, Claudius von Stolzmann einen in seiner bedeutsamen Harmlosigkeit dämonischen Goebbels und Alma Hasun eine facettenreiche Olga, die ob ihres löchrigen Ariernachweises alles riskiert. Großer, langer Applaus für einen feinen, großen Theaterabend.
Schauspiel: "In der Löwengrube" von F. Mitterer; Regie: St. Mohr; Premiere: 15. März, Theater in der Josefstadt, Wien; Termine: 19., 20. März, 7., 8., 14., 15. April; 7., 10., 11. 22., 23., 30., 31. Mai; Info/Karten: 01/42700-300, www.josefstadt.org
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