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Die permanente Bedrohung der Wohlstandsblase

Von Ludwig Heinrich, 07. Mai 2018, 00:04 Uhr
Katja Riemann in Oskar Roehlers „HERRliche Zeiten“. Das Werk ist derzeit in unseren Kinos zu sehen. Bild: Filmladen

In Oskar Roehlers Kinofilm "Herrliche Zeiten" sucht ein reiches Ehepaar per Annonce einen Sklaven.

Ex-Schriftsteller Oskar Roehler gilt als einer der unkonventionellsten deutschen Filmregisseure. Er inszenierte zum Beispiel "Der alte Affe Angst", "Agnes und seine Brüder", "Elementarteilchen" und "Quellen des Lebens" und wurde mehrfach preisgekrönt. Jetzt, in "Herrliche Zeiten" – derzeit in unseren Kinos – stellt er die universelle Frage, wie dünn der Firnis ist, der die Zivilisation von der Barbarei trennt. Die Antwort fällt für die Zivilisation nicht unbedingt freundlich aus.

 

OÖNachrichten: "Herrliche Zeiten" entstand nach dem Roman von Thor Kunkel, Sie haben das Thema aber etwas umgebaut. Da gibt es auch echte "Sklaven"?

Oskar Roehler: Sie meinen zum Beispiel die Leute, die im Garten einen Swimmingpool ausheben und die früher mit 1,50 Euro pro Stunde ausgebeutet wurden. Und die Sache mit den illegalen Jobs. Aber ich habe kein politisches Sozialdrama daraus gemacht. Derlei habe ich hundert Mal in Dokus gesehen. So in der Art: Verschleiertes Mädchen sucht Bruder in Guantánamo, dann reist sie in hundert Minuten von Afghanistan dorthin. Und bei der Premiere kommt ein Festivaldirektor und erklärt die politische Situation des Regisseurs. Nein, so was will ich nicht.

Sondern?

Was mich an dieser Geschichte am meisten interessierte, war das Gefühl der Bedrohung, in der man permanent lebt, wenn man in der Wohlstandsblase aufgewachsen ist und sich ständig fragt: Wie lange hält das noch? Wie resistent ist man, wenn man das ganze Leben verwöhnt wurde? Bitte, auch ich kenne solche Ängste. Und das schwächt einen. Das ist genauso wie bei Schauspielern, die einmal berühmt waren und die ich später wieder traf. Da waren sie ganz uncharismatisch, und vom früheren Schein der Leinwand war nichts übrig geblieben.

Die permanente Bedrohung der Wohlstandsblase
Oskar Roehler Bild: Fraczkowski

Sie selbst haben aber nicht permanent im Wohlstand gebadet?

Nein, ich erinnere mich noch gut an die Situationen als Schlüsselkind, das auf Berliner Kinderspielplätzen aufgewachsen ist. Ich bin daher nicht so betroffen. Dennoch bin auch ich ein wohlstandsorientierter Mensch. In "Herrliche Zeiten" nimmt ein Paar zwei Leute auf, die vermeintlich alles für einen machen wollen und glücklich sind, hier wohnen zu dürfen.

Aber dann?

Entwickelt sich das Ganze anders. Zu einer Mischung aus Gesellschaftssatire und Thriller.

Antworten findet man nicht?

Das ist haargenau der Punkt. Ich mag Sachen, wo einem kein Rezept in die Hand gegeben und keine Moral übergestülpt wird. So, wie es in "Letzter Tango in Paris", "Das große Fressen" oder "100 Tage von Sodom" war. Ich zeige die bürgerliche Gesellschaft, wie sie ist, finde es befreiend, wie das ausagiert wird.

In Deutschland eine Seltenheit?

So ist es. Ihr hingegen habt in Österreich viele Filme, die anarchisch unterwegs sind. Ulrich Seidl zum Beispiel dringt in die Welt der Wahnsinnigen ein und zeigt die Sinnlosigkeit ihres Lebens. In "Herrliche Zeiten" gilt: Entscheide dich für Gut oder Böse. Mein Held entscheidet sich für das Böse und geht trotzdem als Sieger hervor. Egal, ob er zwei oder drei Leute umbringt.

Die richtige Zeit für den richtigen Film?

Das ist schwer zu beantworten. Die Richtigkeit wird sich an der Kinokassa zeigen. Jedenfalls kam der Film nicht zur Berlinale und wurde für keinen Preis nominiert.

Warum?

Weiß ich nicht. Wenn man zwanzig dieser langweiligen, pädagogischen Filme sieht, denken die Auswahlverantwortlichen über "Herrliche Zeiten" vielleicht: Geiler Film, aber politisch unkorrekt, das kann ich nicht wählen! Offensichtlich eine Vermengung von fehlgeleitetem politischen Bewusstsein. Viele der Würdenträger geben so komisches Zeug von sich, wohl als Folge einer Selbstzensur, die in ihren Köpfen stattfindet. Sie empfinden alles, was über das Mittelmaß hinausragt, als Zumutung. Weil es nicht grau in grau ist. Schauen wir uns doch die Amis, etwa die Brüder Coen, an! Wie dreckig, schmutzig und geil da manches gemacht ist. Aber das funktioniert bei uns nicht.

Der Schönheitschirurg im Film sucht "Sklaven". Wie stehen Sie zu diesem Begriff? Ist man nicht auch als Filmregisseur ein Sklaventreiber?

Per se schon. Ja, in jeder Hinsicht, weil man es vielleicht gerne ist und als Künstler kein guter Mensch sein muss. Dieser Beruf ist möglicherweise prädestiniert dafür, ein bisschen sadistisch zu sein. Man hat coole Argumente, um Leute anzutreiben, zu pushen, zu beschimpfen. Damit sie schneller fertig werden. Aber was sage ich da? Man muss vorsichtig sein mit manchen Worten, sonst fällt man schnell unter das MeToo-Edikt.

Mit dem erotischen Moment gehen Sie in "Herrliche Zeiten" eher zurückhaltend um. Warum?

Meine Frau fragte auch: "Warum hast du nicht mehr Sex eingepackt?" Das sind eben die Untiefen des Regieberufs. Es geht immer um das richtige Maß. In diesem Fall hatte ich eben keine Lust auf "mehr".

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