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"Der angemessene Zorn eines Mittfünfzigers"

Von Julia Evers, 11. Oktober 2017, 05:05 Uhr
"Der angemessene Zorn eines Mittfünfzigers"
Weniger Zorn, mehr Schärfe: Alfred Dorfer in seinem neuen Programm "und...".

Kabarettist Alfred Dorfer über das steigende Unbehagen und Toleranz als Synonym für Feigheit

"und...": Für sein neues Kabarettprogramm, mit dem er derzeit durch Österreich tourt, wählte Alfred Dorfer (56) einen Titel, den man "nicht falsch schreiben kann". Die OÖNachrichten sprachen mit dem klügsten unter Österreichs Satirikern über Umzüge, Zorn und über seinen heutigen Geburtstag.

OÖN: Herr Doktor Dorfer. Sagt man so?

Alfred Dorfer: Nein, sagt man nicht. Ich führe das weder in der Signatur noch sonst wo.

Sie sagen über den Kollegen Düringer "der Roli", er über Sie "der Fredi". Ist Josef Hader demnach der Pepi?

Nein, das ist der Josef, weil er Pepi nicht mag. Damit kann man ihm keine Freude machen. Auch mit Seppi nicht (lacht).

Ihr neues Programm dreht sich um einen Umzug. Angeblich können Umzüge so belastend sein wie Scheidungen und Todesfälle.

Ich höre immer wieder, dass Umzüge so wahnsinnig belastend sind, eine Nahtoderfahrung, weil man so viel aufgibt. Viele Menschen können sich nicht trennen von ihren Sachen. Für mich ist das überhaupt nicht so, ich bin schon sehr oft umgezogen. Dadurch, dass ich einen sehr überschaubaren Besitzstand habe und ich kein Sammler bin, kein Anhäufer von Erinnerungen, ist dieser Schritt eigentlich nicht schwierig. Das Schwierigste ist für mich, Bücher umzuziehen. Davon trenne ich mich nicht. Auch wenn das vollkommen irrational ist, weil ich ganz viele Bücher habe, die ich nie wieder lesen werde.

Sie feiern heute Geburtstag. Ein Anlass, nach vorn oder zurück zu schauen?

Bei mir gab es nur einen traumatischen Geburtstag, das war der 30. Darüber habe ich dann das Stück "Alles Gute" gemacht. Das war für mich eine sehr seltsame Klippe, wo für mich plötzlich etwas zu Ende und nicht mehr wiederzubringen war. Was natürlich vollkommen diffus war als Empfindung, weil dasselbe könnte man mit 20 oder mit 35 haben. Aber der Sohn war ganz klein, eineinhalb, und das war für mich so ein Alter, wo ich dann plötzlich Flugangst bekommen habe, wegen ihm eigentlich. Alles andere wie der 40., der 50., alles großartig, weil ich zu dieser Art von Zeitrechnung und auch der Art der Vergangenheitsbeschau kein sentimentales Verhältnis habe. Es gibt keine Phase in meinem Leben, wo ich mir denke, das möchte ich noch einmal haben oder da war es richtig gut und jetzt nicht mehr.

Sie sind heute weniger zornig?

Ja, darum geht es auch in dem Stück. Es gibt darin einen Kritiker mit bayrischem Akzent, der mich fragt: "Wo ist eigentlich Ihr Zorn geblieben?", und ab diesem Moment geht es auch um die Frage: Was ist der angemessene Zorn eines Mittfünfzigers? Im Gegensatz zum "Wäääh" eines Mittzwanzigers. Natürlich ist diese Art von Kunst nicht durchführbar, wenn dir die Dinge nicht aufstoßen und wenn sie dich nicht anspringen. Aber in der Umsetzung gibt es dann den Faktor dieser 30 Jahre Unterschied, wo man viele Dinge gesehen und relativiert und sich distanziert hat von vielen Geschehnissen, und wo dann der Punkt kommt, wo man sagt, jetzt überarbeiten wir noch einmal dieses "Wääh" und schauen, ob das wirklich haltbar ist für einen in meinem Alter.

Was ist am neuen Programm anders?

Dieses Programm ist eine Bruchstelle, das hat eine andere Musik. Es ist auch die Zeit anders geworden. Seit drei Jahren bricht sich dieses Europa ja um und Österreich mit. Gewisse Problemstellungen, die wir haben, gewisse Verunsicherungen, ein gewisses Unbehagen – die kumulieren feinstofflich. Und es gibt da halt diese Abwehrhaltung, dass man sagt, nein, aber die Statistik spricht dagegen und es gibt Studien, dass eh alles super ist und das Wirtschaftswachstum ist jetzt nicht 1,8, sondern 2,4, nur die Leute spüren das nicht. Es ist für unser Leben vollkommen uninteressant. Weil unser Leben nicht in Studien und in Statistiken stattfindet, sondern in der Realität. Da ist steigendes Unbehagen zu spüren.

Wie gehen Sie damit um?

Als Künstler muss man darauf reagieren, weil man sonst zu einem Nachplapperer wird von einer Mainstream-Haltung, die sich in ihrer Echokammer genügt – Kinder, die Statistik sagt Wirtschaftswachstum, sinkende Kriminalitätsrate, und ihr spürt das anders, also seid ihr uninformiert. In einer Verachtung für das Empfinden. Die Leute wollen einfach nicht mehr für ihre Ängste und ihre Sorgen verachtet und ins rechte Eck gestellt werden.

Eine Schweigespirale?

Die normale Interpretation ist, wir erzählen gewisse Dinge nicht, um nicht Wasser auf Mühlen von gewissen Kreisen zu bringen, die wir nicht brauchen. Wir verschweigen Dinge, damit die FPÖ nicht mehr Zulauf bekommt. Ein alter Reflex, den wir schon immer gehabt haben. Mittlerweile glaube ich aber, dass das wohl nicht der einzige Grund sein kann. Man könnte ja sagen, ich informiere differenziert, es geht dabei überhaupt nicht um Ressentiments und um Rassismus, sondern ich informiere und wir müssen unterscheiden lernen – wer ist unserer Gastfreundschaft würdig und wer nicht. Das ist ein ganz normaler, vernünftiger Vorgang, weder links noch rechts. Wer kann mit unserem Frauenbild leben? Und wer es nicht kann, kann hier nicht sein, das ist ganz normal. Wobei man sagen muss, wir selbst befinden uns hier auch erst auf halbem Weg. Das Interessante ist, dass alle anderen Kulturen auf der Welt so agieren. Nur wir hier in Mitteleuropa tun das nicht. Diese Toleranz ist in Wirklichkeit ein Synonym für Feigheit, zu seinen Werten zu stehen.

"MA 2412" wird derzeit wieder im ORF gespielt. Welche konkreten Pläne für ein neues TV-Projekt gibt es?

Es gibt ein Projekt, das ich mit Thomas Stipsits und Manuel Rubey eingereicht habe, eine Mischform aus Sitcom und Late Night. Jetzt warten wir einmal ab, wie das läuft.

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7  Kommentare
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woidjaga (61 Kommentare)
am 11.10.2017 08:49

Nett zu beobachten, wie die politisch korrekte Bohéme und was sich dafür hält nun darangeht, ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen. Denn der Wind ist gerade im Begriff, sich nachhaltig zu drehen. Da werden wir noch viele amüsante Verrenkungen erleben. Na ja, besser spät kapiert als nie.

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Orlando2312 (22.298 Kommentare)
am 11.10.2017 11:32

Ihre "Vorfreude" ist verfrüht.

Die Boheme hat sich in den letzen 5 Jahrzehnten höchst selten an dem orientiert, woher der Wind grade weht. Diese Menschen sind immer und zuallererst jene, die ihre Stimme erhebengegen totalitäre Regime erhoben.

Das war sogar in der UdSSR so (und dort war das durchaus gefährlich) und das ist gegenwärtig in den USA so, wie D.J.Trump recht unerfreut feststellen muss.

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auflosgehtslos (2.257 Kommentare)
am 11.10.2017 07:58

"– wer ist unserer Gastfreundschaft würdig und wer nicht. Das ist ein ganz normaler, vernünftiger Vorgang, weder links noch rechts. Wer kann mit unserem Frauenbild leben? Und wer es nicht kann, kann hier nicht sein, das ist ganz normal."

Danke Herr Dorfer! Sie sind einer der wenigen Kabarettisten die ihren Hausverstand behalten haben!

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Aktive_Arbeitslose (459 Kommentare)
am 11.10.2017 09:27

UNSINN. Die wirklich wesentliche Frage lautet: Was sind die URSACHEN und wie können diese behoben werden! So lange Europa (Rohstoff)Kriege schürt und Waffen exportiert, korrupte Regierungen unterstützt, wird es Flüchtlinge geben!

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Flachmann (7.152 Kommentare)
am 11.10.2017 13:03

Sie meinen wohl Zuwanderer?

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Zaungast_17 (26.400 Kommentare)
am 11.10.2017 07:23

Schweigespirale: diese Statement reicht hier im Forum schon aus um RECHTS eingeordnet zu werden ... traurig

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auflosgehtslos (2.257 Kommentare)
am 11.10.2017 08:00

Ja leider, aber ich sehe Besserung.

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