Der Voodoo hat den Häf’n-Blues in der Kirche
Am Freitag spielte Voodoo Jürgens ein Konzert für die Insassen der Justizanstalt Garsten, die OÖN waren dabei.
Sie lachen. Sie klatschen. Sie fordern lautstark "Zugabe!", trampeln mit den Füßen. Voodoo Jürgens, der hagere Strizzi unter den heimischen Liedermachern, hat das Publikum fest im Griff. Wieder einmal. Er grinst verschmitzt und schnappt sich die akustische Gitarre. Gemeinsam mit seiner Begleitband, der fünfköpfigen "Ansa Panier", singt er noch eine allerletzte Nummer: ein uraltes Wienerlied namens "Die Wööd Is A Wolf", das er auf einer längst vergriffenen Andre-Heller-Platte für sich entdeckt hat. Dass Voodoos in breitem Wienerisch gesungenen G’schichtln, Schnurren und Moritaten derart gut ankommen, ist bei diesem Auftritt keine Selbstverständlichkeit.
Die zirka 50 Konzertbesucher sind nämlich keine Fans des Mannes, der mit seiner Debüt-LP "Ansa Woar" bis an die Spitze der österreichischen Hitparade kletterte. Sie sind allesamt Insassen der Justizanstalt Garsten, versammelt am frühen Freitagnachmittag in der kalten Gefängniskapelle. Nächste Woche kommt Bischof Manfred Scheuer zu Besuch, um mit ihnen eine Weihnachtsmesse zu feiern. Heute aber singt Voodoo Jürgens, der bürgerlich David Öllerer heißt, über Damen des horizontalen Gewerbes, Schnaps, gefährliche Peitscherlbuam und seine Kindheit in Tulln "zwischen Zuckerbude und Kadaverfabrik". Unter den wachsamen Augen eines hölzernen Jesus Christus am Kreuz und jenen von etlichen bewaffneten Justizwachebeamten, die Wache schieben.
Auf den Spuren Johnny Cashs
Eingeladen auf den Spuren von Johnny Cash und dessen legendären Gastspielen in San Quentin und Folsom zu wandern, hat Voodoo Georg Kamptner, der umtriebige Seelsorger der Haftanstalt. Dieser organisiert in Zusammenarbeit mit der Kulturinitiative "drinnen & draußen" und der Unterstützung von Anstaltsleiter Major Christian Neubauer mehrmals im Jahr Konzerte für die rund 400 Insassen. So traten etwa bereits Konstantin Wecker, Franz Posch und Wanda in dem um das Jahr 1630 als Teil des aufgelassenen Stiftes Garsten erbauten Saal auf. "Unser Saal ist eine wilde Mischung aus Kirche und Rumpelkammer – und verströmt daher auch eine ziemlich spezielle Atmosphäre", sagt Kamptner.
Nicht jeder der Freiheitsstrafen zwischen 18 Monaten und "lebenslang" verbüßenden Häftlinge darf an diesen Konzerten teilnehmen. Gewaltbereite und "schwierige" Insassen sind ausgeschlossen, der Rest kann sich in eine Liste eintragen lassen. Jene die sich für den Auftritt von Voodoo Jürgens angemeldet haben, bilden eine inhomogene Gruppe: Junge und Alte, einheimische und ausländische Häftlinge, manche im Polo-Hemd, andere dagegen im Trainingsanzug. Ein Häftling klatscht Voodoo vor Konzertbeginn euphorisiert ab, das Gros wartet aber auf Holzsesseln sitzend mit Skepsis ab, was ihnen musikalisch serviert wird. Es dauert zwei, drei Songs bis der 34-jährige Voodoo mit seiner Combo die Herzen der Zuhörer erobert, mit dem Talking-Blues "Drei Gschichtn ausn Cafe Fesch" bricht endgültig das Eis. Bei den Textzeilen "Die Bim fohrt noch Simmering/ I kauf da an Fohrschein /I brich da des Gnack Und du steigst in dein Sorg ein!" grinst der halbe Saal wissend. Der Hit "Heite grob ma Tote aus" wird ebenso bejubelt wie "Weh au Weh", "Nachbarskinder" und die Orsolics-Hommage "Hansi der Boxer".
Nach einer Stunde verschwindet Voodoo Jürgens von der Bühne, verschwitzt und glücklich. "Es war echt cool. Definitiv die ungewöhnlichste Location, in der ich jemals aufgetreten bin", sagt er zu den OÖN. Wenn er die Insassen für kurze Zeit aus ihrer Tristesse reißen haben könne, sei er zufrieden. Jürgens weiß, wovon er singt. Als er sieben Jahre alt war, landete sein Vater im Gefängnis. In Garsten spielte er auch für ihn.
Einzigartige Location, charismatischer Sänger mit aussergewöhnlicher Band, Fazit: mehr als sehenswert