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Das Vorspiel zu einer Katastrophe, die die ganze Welt für immer veränderte

Von Lukas Luger, 20. Dezember 2013, 00:04 Uhr
Das Vorspiel zu einer Katastrophe, die die ganze Welt für immer veränderte
Eine alte Welt versank, eine völlig neue Weltordnung entstand: Kaiser Franz Joseph und Thronfolger Franz Ferdinand in Wien. Bild: ORF

Auf die Aufbruchsstimmung folgte die Katastrophe: Wie ein modernes Europa 1914 in den Ersten Weltkrieg schlittert, schildert die auf dem preisgekrönten Buch von Philipp Blom basierende "Universum History"-Dokumentation "Der taumelnde Kontinent", die heute und am 27. Dezember jeweils um 22.40 Uhr in ORF 2 läuft. Die OÖN baten Historiker Philipp Blom, der als Moderator durch die Sendungen führt, zum Interview.

"Der taumelnde Kontinent" entführt den Zuschauer in das Europa zwischen 1900 und 1914. Eine Zeit, die oft als Idyll vor dem Sündenfall verklärt wird. Mit diesem Mythos räumen Sie auf. Welche Kräfte waren es, die Europa ins Wanken brachten?

Philipp Blom: Um es ganz kurz zu sagen: die Industrialisierung. Das ist buchstäblich und figürlich der Motor, der hinter allem steht. Es kommt in dieser Zeit zu einer ungeheuer schnellen Veränderung der Lebenswelt der Menschen. Die Industrialisierung führt zu einer Urbanisierung, mehr Menschen leben in Städten. Eine Massengesellschaft mit Massenproduktion entsteht, die Menschen, die sich vorher selbst versorgten, plötzlich in eine Geldökonomie zwingt.

Warum idealisieren wir diese Epoche als "gute, alte Zeit"?

Das hängt stark mit der psychologischen Wirkung des Ersten Weltkrieges zusammen. Nach dem Krieg waren nicht nur Reiche untergegangen, die moralischen Werte einer Generation waren diskreditiert. Das war ein hartes Erwachen. Da benötigte man die Vision einer stabilen Gesellschaft. Also erfand man ein nostalgisch verklärtes "Operetten-Europa". Dieses Zurückträumen in eine verlorene, aber perfekte Welt finden Sie auch in Stefan Zweigs Buch "Die Welt von Gestern".

War die Explosion im "großen Krieg" unausweichlich?

Lassen Sie mich ein Beispiel geben: In der Kuba-Krise verhinderte Präsident Kennedy den Atomkrieg. Wäre damals ein anderer im Amt gewesen oder hätte Kennedy etwas Schlechtes gefrühstückt – wer weiß, wie die Sache ausgegangen wäre? Die Historiker, die diesen Krieg überlebt hätten, würden natürlich schreiben, dass es unausweichlich war: Kalter Krieg, Wettrüsten, die Konfrontation. Im Nachhinein sieht die Geschichte immer unausweichlich aus. Nichts am Ersten Weltkrieg war unausweichlich. Ja, es gab Spannungen und Krisen. Schuld war aber eine Verkettung von Inkompetenzen, unglücklichen Zufällen sowie die Borniertheit der Mächtigen.

Ist das heutige Europa ein Kind der Epoche von 1900 bis 1914?

Die Menschen damals in den Städten lebten unser Leben von heute. Sie wuchsen in einer Massen- und Mediengesellschaft auf, sie litten an vergleichbaren psychischen Problemen und hegten ähnliche Erwartungen an ihr Leben. Das Gefühl der ständigen Beschleunigung, die Verunsicherung, nicht zu wissen, wohin die Reise geht – das ist eine schlagende Parallele zu unserem eigenen Leben. Im Kalten Krieg gab es nur zwei potenzielle Arten von Zukunft. Heute wie damals ist hingegen alles offen und unsicher. Darum fühlen wir auch so eine enge emotionale Verbindung zu der Zeit um 1900.

Welche Lehren können wir aus dieser Ära ziehen?

Was zur Katastrophe 1914 beigetragen hat, waren politische Eliten, die unfähig waren, nach neuen Lösungen zu suchen. Die Kaiserhäuser in Russland, Deutschland und Österreich agierten sehr autoritär und versuchten, so wenig wie möglich zu reformieren. Diese Politik scheiterte an der sich rapide ändernden sozialen Realität. Wenn es eine Lehre gibt, dann ist es jene, dass das sture Festhalten an überholten Modellen nichts bringt. Da denkt man sofort an das reformresistente Europa, in dem eine notwendige Demokratisierung verweigert wird, weil Misstrauen gegenüber Neuerungen besteht. Zu einem Krieg wird das nicht führen, dazu hat die Vereinigung Europas zu viel Wirkung gezeigt. Die Gefahr, dass der Politik die Realität davonläuft, ist aber eine große Herausforderung.

 

Gedenkjahr 2014 in TV und Radio

Rund um den 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo und des Beginns des Ersten Weltkriegs bietet der Österreichische Rundfunk im Gedenkjahr 2014 einen umfassenden Programmschwerpunkt:

Auf dem Programm stehen etwa die Dokumentationen „Das Attentat“, „Kaiser Franz Joseph und der Erste Weltkrieg“ und „Die ungleichen Geschwister – Deutschland und Österreich“ sowie die Dokumentarserien „Der taumelnde Kontinent“ (siehe Artikel links) und „14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs“.

Im Fiction-Bereich thematisieren Produktionen wie Andreas Prochaskas historischer Thriller „Sarajevo“, das historische Melodram „Clara Immerwahr“ von Harald Sicheritz, die Spielfilme „Poll“ von Chris Kraus, „Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“ von Christoph Stark und Urs Eggers „Mr. und Mrs. Nobel“ nach einem Theaterstück von Esther Vilar anhand persönlicher Lebensgeschichten die gesellschaftlichen Umwälzungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Die dreiteilige Dokumentationsreihe „Weltenbrand“ beleuchtet in ORF III und 3sat, wie zwischen 1914 und 1918 die Weichen für einen mörderischen Konflikt gestellt wurden, der sich bis in das Jahr 1945 fortsetzte. Im Rahmen der ORF-III-Programmleiste „zeit.geschichte“ steht außerdem die siebenteilige Dokumentationsreihe „The Great War of Nations“ auf dem Programm.

Auch zahlreiche Ö1-Sendungen widmen sich im kommenden Jahr dem Thema „100 Jahre Erster Weltkrieg“. Den Auftakt machen zwei „Diagonal“-Ausgaben: „1913 – das Jahr davor“ (18. Jänner) und „1914 – das Jahr, in dem das 20. Jahrhundert begann“ (25. Jänner)

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3  Kommentare
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orinoco (2.153 Kommentare)
am 20.12.2013 10:57

Durch Heirat das Reich zu vergrößern, ohne den darin lebenden unterschiedlichsten Völkern eine Gleichberechtigung zu geben, war von Vornherein zum Scheitern verurteilt. Das Habsburgerreich war der Auslöser zum 1. Weltkrieg und der Diktatfrieden dann der Auslöser zum 2. Weltkrieg. Darum >Nein danke!< zu Bemühungen von Monarchisten, in Österreich wieder eine Monarchie einzuführen. Die Habsburger wären besser in ihrer alten Heimat, der Schweiz, geblieben.

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GehtsNochMal (245 Kommentare)
am 20.12.2013 17:50

…, die in Österreich wieder eine Monarchie einführen wollen, existieren in diesem Land. Es kann also durchaus welche geben, aber ERNST ZU NEHMEN sind sie nicht.

Die einzige Bewegung, die eventuell damit liebäugelt, ist die FPÖ. Die nimmt zwar auch niemand ernst, aber dass deren Machtübernahme im Jahre 2018 der Demokratie in Österreich einen herben Rückschlag bereiten wird, ist auch Faktum!

Also ist mit der FPÖ insofern nicht zu spaßen, als „UNGARISCHE ZUSTÄNDE“ in Österreich einkehren können (Einschränkung der Pressefreiheit, Aufhebung Minderheitenschutz, ...), wenn sich nach 2018 die ÖVP mit diesen F…… auf ein grenzfaschistoides Packerl haut!

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GehtsNochMal (245 Kommentare)
am 20.12.2013 08:53

Nein! Es waren nicht die „Barbaren“, die das Habsburger-Reich mit martialischer Übermacht zerstört haben (wie einst Hannibal die Römer).

Nein! Es waren keine politischen ALTERNATIV-Losigkeiten, die Millionen von Menschen im ersten, und noch mehr Millionen von Menschen im zweiten Weltkrieg in den sinnlosen Tod stürzte.

Nein! Es waren „eine Verkettung von Inkompetenzen, unglücklichen Zufällen sowie die Borniertheit der Mächtigen.“

Oh Gott!

Diese Zeit, liebe Leute, sollte ENDGÜLTIG als überwunden anzusehen sein.
HEUTE muss der BÜRGER selbst dafür sorgen, dass die Politik in demokratischen Schranken verbleibt.
Es gilt NICHT die Ausrede, dass die miserable Performance der Regierung dem HC Strache zum Wahlsieg verhelfen wird. Es LIEGT AUCH AN UNS, derartigen Wahnsinn zu verhindern.

BÜRGER, die sich „dem System“ NICHT KAMPFLOS ergeben, werden dringend gesucht! Weil sie DRINGEND GEBRAUCHT werden!

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