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Das Linzer Brucknerfest ist längst überholt

28. Dezember 2016, 00:04 Uhr
Das Linzer Brucknerfest ist längst überholt
Wer soll das Brucknerhaus in Zukunft führen? Bild: Reinhard Winkler

Gastkommentar: Martin Sieghart, der ehemalige Chef des Bruckner Orchesters, über die Zukunft des Brucknerhauses.

Es mag so etwa um das Jahr 1995 herum gewesen sein. Alfred Schnittke kam nach Linz, um einer Aufführung seiner Zweiten Symphonie ("St. Florian") beizuwohnen. Der Saal war ausverkauft, man wollte den von schwerem Leiden gezeichneten Komponisten sehen, sein Werk erleben, dabei sein, wenn das Bruckner Orchester und ich diese Zweite Symphonie musizierten. Thomas Daniel Schlee war damals für die musikalische Planung verantwortlich, er brachte dank sehr guter Beziehungen eine Reihe von großen Komponisten nach Linz.

Besucher aus Wien, Salzburg oder München reisten an, wenn im schönen Haus an der Donau die Größten ihrer Branche auftraten. Es waren die goldenen Jahre dieses Hauses. Und ich hatte die Ehre und das grenzenlose Vergnügen, für die Dauer von acht Jahren mitzumachen, zu musizieren, was wir in oft hitzigen Gesprächen an Programmen entworfen hatten.

All das ist heute so völlig undenkbar geworden. Genauso wie sich das rein technische Können der Menschen in diesem Zeitraum atemberaubend entwickelt hat, hat sich auch die Wertigkeit (nicht der Wert!) der Kunst und ihrer Darbietung entwickelt. Wenn auch nicht in jene Richtung, die uns lieb wäre. Das junge Publikum bricht dramatisch weg, die sogenannte Neue Musik hat ihren Weg zu den Herzen der Menschen noch nicht gefunden. Ob das jemals der Fall sein wird, müssen spätere Generationen beurteilen.

 

Computer erlauben uns, Musik in verschiedensten Interpretationen kostenfrei zu konsumieren, erste Reihe fußfrei sozusagen. Das Fernsehen erzieht uns dazu, Mord als Kavaliersdelikt zu akzeptieren, das Konsumangebot zwingt uns zu immer größeren, wenn auch häufig vollkommen sinnlosen Investitionen. Und wo bleibt da Raum für klassische Musik? Das Live-Erlebnis wird uns Schritt für Schritt ausgetrieben. Wo immer ich als Dirigent auftrete, höre ich die gleichen Sorgen. Und dass man unbedingt einen Beethoven, Schubert oder Brahms ins Programm nehmen müsse. Anders würde man kein Publikum mehr erreichen.

Das Brucknerhaus hat seit einigen Jahren Konkurrenz in Form des neuen Opernhauses bekommen. Ein Prachtbau, zu Recht ein Aushängeschild dieser Stadt. Dass der Run des Publikums in dieser Form halten wird, wollen wir vorsichtig hoffen. Programmiert wird nicht gerade halsbrecherisch mutig. Aber wem sollte man es verdenken, der Druck, das Haus gut besucht zu wissen, ist groß. Der politische Kampf, es zu bauen, war ein langer.

Und vergessen wir nicht, dass man heute in 75 Minuten Wien erreichen kann, eine Stadt, in der täglich die berühmtesten Orchester unter allen Dirigenten von Rang und Namen zu hören sind. Eine reizvolle Alternative, gewiss.

Damit will ich nicht Fehler, die im Brucknerhaus gemacht wurden, kleinreden. An keinem Opern- oder Konzerthaus gelingt alles. Aber das zum Volkssport gewordene "Gemma Brucknerhaus hauen" ist so nicht gerecht. Ich würde mir so manchen Job als Kulturmanager sofort zutrauen – jenen des Intendanten im Brucknerhaus sicher nicht. Dass das Brucknerfest längst überholt ist, stimmt. Franz Welser-Möst spricht sich sogar für eine Pause aus. Eine überlegenswerte Idee. Jedenfalls sollte, und das habe ich schon vor 20 Jahren gegen ungläubiges Kopfschütteln in den Raum gestellt, der Name geändert werden. Wie soll man Jahr für Jahr einen Komponisten ins Zentrum eines Festivals stellen, der schlicht sehr wenig geschrieben hat? Ich kann ein Bach-Fest veranstalten, eines für Mozart, Haydn oder Beethoven. Aber jährlich ein Mahler-Fest, oder eben eines für Bruckner? Warum? Und warum immer diese Klangwolke? Das war ja eine schöne Idee, damals, 1979! Aber wir schreiben in Kürze 2017!

 

Mein Leben als Künstler wäre ohne Bruckner viel ärmer. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass es wenig bringt, immer wieder dieselben Werke, höchstens in verschiedenen Fassungen, die meist nicht besser als die endgültigen sind, abzuspielen. Und nun sucht man also jemanden, der alles besser machen soll. Spannendere Programme, mehr Publikum, klingende Namen, und all das für möglichst wenig Geld. Man kann nur hoffen, dass die Jury international und vor allem mit Menschen vom Fach besetzt ist. Und dass die neue Leitung auch wirklich die Freiheit bekommt, neue Konzepte zu entwerfen. Ohne Einspruch und Besserwisserei. Das ist eine Voraussetzung, um dieses schöne Haus gut führen zu können. Wollen wir also das Beste hoffen!

 

Zur Person: Martin Sieghart wurde 1951 in Wien geboren und studierte ebendort Klavier, Orgel und Violoncello. 1975 wurde Sieghart Solocellist der Wiener Symphoniker. 1990 wurde er zum Chef des Stuttgarter Kammerorchesters bestellt, zusätzlich übernahm er 1992 die Stelle als Chefdirigent des Linzer Bruckner Orchesters. 2002 wurde er von Dennis Russell Davies abgelöst. Von 2003 bis 2008 war Sieghart Chef des Arnhem Philharmonic Orchestra. Seit 2000 lehrt er Dirigieren an der Uni für Musik/darstellende Kunst Graz

 

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7  Kommentare
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tja (4.605 Kommentare)
am 28.12.2016 18:49

Die Aussage des LIVA-Aufsichtsratsvorsitzenden (wo sahnt der sonst noch ab?) und Linzer Bürgermeisters "Möglicherweise hat sich Bruckner zu einer Hülse entwickelt." ist eine Frechheit, vielleicht das Einzige, was er gut kann!

Es wird das Wegbleiben der Zuschauer beklagt. Die meisten Menschen, ich auch, bevorzugen tonale, harmonische Musik, keine Dissonanzen, nicht Schönberg, Stockhausen, Ligeti u.s.w. Ich kann mir kaum vorstellen, mich in einen Konzertsaalzu setzen, um mir die Musik zum Film Koyaanisqatsi anzuhören, es als Untermalung zum Film grandios gelungen finde.

Warum sind Musicals so erfolgreich? Mindestens weil siemelodisch sind.

Ein Problem, daß Menschen wie Franz Welser-Möst nur Abriss oder Martin Sieghart mit einem wehmütigen Rückblick von "Ehre und das grenzenlose Vergnügen" resümiert.

Den Musikgeschmack kann man schulen. Was wäre, jemand entschlösse sich eine deutsche Variante von Young People's Concerts ins Brucknerhaus brächte ...?

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alpe (3.482 Kommentare)
am 28.12.2016 18:47

Schlee < - > Frey
Stellt man diese Namen gegenüber, erübrigt sich jeglicher Kommentar!

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victorhugo (455 Kommentare)
am 28.12.2016 18:27

Endlich sagt es jemand! Es gab die "goldene Ära" des Brucknerhauses - unter dem Musikdirektor Thomas Daniel Schlee. Er stellte Bruckner in den Mittelpunkt durchdachter Programme, wobei entweder Bruckners Zeitgenossen oder ein Thema durchgängig das Fest bestimmten. Die Auslastungszahlen lagen bei satten 90% und darüber. (D.h., dass auch die Öffentlichkeitsarbeit und das Marketing gut funktionierten - aber eben auf der Grundlage eines attraktiven hochqualitativen Produkts!)
Zum Brucknerfest kamen Besucher aus ganz Österreich, Bayern, Holland, Italien und besonders viele Japaner.
Abgesehen vom Festival waren auch die Konzerte während des gesamten Jahres gut besucht. Die Mischung von Abonnements und freiem Verkauf funktionierte.
Wie Auskenner schreibt, wurde Schlee hinausgeekelt - ihm folgte noch ein gutes Dutzend verdienter Mitarbeiter. Die neuen Besen kehrten aber schlecht, wie das traurige Ergebnis der letzten Jahre zeigt.

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Freischuetz (3.154 Kommentare)
am 28.12.2016 12:41

Mein Gott, das arme Brucknerhaus! Sogar in der stillen Woche zwischen Weihnachten und Neujahr wird es mit schlechten Bezeugungen abgewatscht. Dabei waren wir Linzer_innen doch so stolz auf dieses Haus, welches Linz aus der künstlerischen Provinz befreite und die besten der Besten der Konzertbühnen nach Linz brachte. Aber guten Zeiten nachweinen hilft nichts. Neue Konzepte, neue Programme, neue Ideen sind gefragt. Auch eine Totalrenovierung insbesonders der Büroräumlichkeiten wäre angesagt.
Gelingt eine Neuaufstellung / positionierung nicht, glaube ich zwar nicht an ein Abreißen, wie FWM schon andachte, sondern an ein Schicksal wie des Kursalons Hübner im Wiener Stadtpark. In schöner-schauriger Schäbigkeit wird es eine Location für Drittveranstalter - Musicalkompanien, Mega Clubbings, Goldhaubentreffen, Unternehmensjahreshauptversammlungen, Burschenschaftskonvente, etc,- werden. Bringt der Stadt Linz Einnahmen zu Minimalfixkosten und ohne Kosten für Eigenveranstaltungen.

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haspe1 (23.645 Kommentare)
am 28.12.2016 00:42

Der Kommentar klingt stimmig und klug.

Hoffentlich findet Linz jemanden, der etwas sinnvolles aus dem Brucknerhaus macht und der nicht nur ein Dampfplauderer und Selbstdarsteller ist.

Was in Linz aber noch immer sehr gut ankommt und natürlich bestens funktioniert, ist der alljährliche "Sauschädlempfang" des Bürgermeisters, den auch Luger nach Dobusch weiterführt. Luger und Hupfi lassen sich mit dem Sauschädl fotografieren, die Rathaus-Politikgünstlinge sämtlicher Professionen und parteien fressen und saufen sich auf Kosten der Linzer Bürger an und parken ihre Autos illegal am Hauptplatz, während die Stadt dank Grossmannsucht und SWAP am Bankrott vorbeischrammt.

Die Nachrichten schicken da immer Reporter und Fotografen hin und berichten devot, in Frage stellen tun sie diesen Zirkus natürlich nie und nimmer. Tja, Show must go on. Ein wenig schämt man sich vielleicht doch des Gelages, darum wird vorher nichts darüber geschrieben jnd der Termin nicht angekündigt...

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laskpedro (3.376 Kommentare)
am 29.12.2016 08:22

schön auch , wie die polizei da offensichtlich wegschaut wie die autos illegal auf dem hauptplatz geparkt werden , der grundsatz alle menschen sind vor dem gesetz gleich gilt offenbar nicht für die lugers und co

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Auskenner (5.366 Kommentare)
am 28.12.2016 00:12

"Thomas Daniel Schlee war damals für die musikalische Planung verantwortlich, er brachte dank sehr guter Beziehungen eine Reihe von großen Komponisten nach Linz."

Diesen Satz kann man nicht oft genug unterstreichen - nach Schlees Abgang (besser gesagt Hinausekeln) ging es mit dem Brucknerhaus bergab. Ob es sich davon noch einmal erholen wird, das wird einen Kraftakt erfordern, der nicht in Sicht ist. Würde ja auch Geld kosten!

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