D’Arcangelo treibt die Meute vor sich her

06.August 2016

Don Giovanni ist und bleibt ein Teufel. Als er längst aus dem Stück und aus der Welt abgetreten sein sollte – sieht man ihn schon wieder einem Rock hinterher rennen. Es ist das Schlussbild der Wiederaufnahme von Mozarts "Don Giovanni" in der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf aus dem Jahr 2014. Und tatsächlich wird eine Inszenierung mitunter besser, wenn sie länger liegt, auch wenn der unersättliche Wüstling den Frauen nach wie vor im bleiern-schweren Mahagoni-Foyer eines Stundenhotels (Bühne: Rolf Glittenberg) nachstellt.

Der Lynchjustiz entkommen

Der vor allem in den Tiefen grandiosen Schmelz verströmende Ildebrando D’Arcengelo treibt ob seiner eindrucksvollen Bühnenpräsenz dreieinhalb Stunden Handlung und enttäuschte Männer vor sich her. Sein Diener Leporello, den Luca Pisaroni mit gepfeffertem Witz und ironischem Spott gegenüber seinem Chef auf die Bühne stellt, schärft den Blick für dessen Ausweglosigkeit. Als er von Don Giovanni dazu angestiftet wird, mit ihm die Rollen zu tauschen, muss er sich bis zur Entleibung erklären, um von Don Ottavio (stimmlich klar und einfühlsam bekümmert: Paolo Fanale) und dessen Gefolge nicht gelyncht zu werden. Don Ottavio hätte auch allen Grund dazu, weil Don Giovanni Donna Annas Vater, den Commendatore, erdolcht hat, nachdem seine Tochter und der lüsterne Tunichtgut von dem alten Herrn beim Techtelmechteln erwischt worden waren. Warum allerdings Don Giovanni die Hand von Donna Anna (Carmela Remigio mit sprunghafter Koloratur) beim Todesstoß geführt hat, darüber schweigt sich die Inszenierung aus.

Don Giovanni zerrt einstweilen schon wieder an Donna Elvira (Layla Claire mit bebenden Höhen), seiner Ex. Von ihrer Grazie verzaubert, kommt ihm Zerlina (die physisch wie stimmlich zierliche Valentina Nafortina) in die Quere, die am Tag ihrer Verführung eigentlich Massetto (Iuri Samoilov mit solidem Bariton) heiraten sollte. Der Commendatore (Alain Coulombes Bass ist nicht durchschlagkräftig genug) kehrt als Geist zurück und schnappt sich Don Giovanni.

Bechtolf lässt sein Ensemble diesmal dicker auftragen und frecher als vor zwei Jahren durch die Szenen jagen. Alain Altinoglu gilt der herzlichste Applaus. Am Pult der Wiener Philharmoniker verleiht er dem Ton wesentlich mehr Durchlässigkeit, als sie vor zwei Jahren zu hören war. Insgesamt: feines Handwerk, keine große Kunst. (pg)

Salzburger Festspiele, Oper: "Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart, Regie: Sven-Eric Bechtolf, Musikalische Leitung: Alain Altinoglu, Premiere: 4. August, Haus für Mozart, Termine: 7., 9., 13., 18., 21. August. Info/Karten: www.salzburgerfestspiele.at

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