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Buchtipp: Spurensuche in Schlesien

23. Juli 2016, 00:04 Uhr
Spurensuche in Schlesien
Fünfzehn Jahre lang war ich nicht nach Walbrzych gekommen, in Gedanken aber jeden Tag zurückgekehrt, in allen anderen Städten habe ich nur diese eine gesucht."Alicja, Hauptfigur des Romans und Joanna Bators Alter Ego Bild: Reuters

"Dunkel, fast Nacht", das jüngste, preisgekrönte Werk der polnischen Schriftstellerin Joanna Bator, ist ein Buch mit vielen Facetten: moderner Kriminalroman und nostalgische Gothic Novel.

Berlin. Eine Warschauer Journalistin kehrt zu Recherchen in ihre Heimatstadt zurück. Drei kleine Kinder sind dort spurlos verschwunden. Alicja Tabor versucht dem Rätsel auf die Spur zu kommen und erlebt eine Stadt im Aufruhr: Ein selbsternannter Prophet wiegelt die verunsicherte Bevölkerung auf, "Zigeuner" geraten in Verdacht, und im Internet kursieren wüste Hetz- und Hassparolen. Doch nicht nur das: Alicja wird auch immer mehr von den Schatten ihrer eigenen tragischen Familiengeschichte eingeholt.

Zudem erscheint es wie ein aktueller Kommentar zur derzeit aufgeheizten Lage in Polen. Und nicht zuletzt setzt sich Bator wie schon in ihren Vorgängerbüchern – "Sandberg" und "Wolkenfern" – einmal mehr mit der deutschen Vergangenheit ihrer schlesischen Heimat auseinander. Auch "Dunkel, fast Nacht" spielt in Walbrzych, dem ehemaligen Waldenburg südwestlich von Breslau, wo Bator ihre Kindheit verbrachte.

Bator ist Weltbürgerin. Sie hat in vielen unterschiedlichen Ländern gelebt. "Dunkel, fast Nacht" schrieb sie in Japan zur Zeit des Erdbebens und Tsunamis von 2011. Zuletzt lebte die Autorin dank eines Stipendiums in Berlin. Und doch kreisen ihre Romane immer wieder um Schlesien – ihre Protagonistin Alicja ist da ganz ihr Alter Ego: "Fünfzehn Jahre lang war ich nicht nach Walbrzych gekommen, in Gedanken aber jeden Tag zurückgekehrt, in allen anderen Städten habe ich nur diese eine gesucht."

Die vom Bergbau geprägte und gebeutelte Stadt, überragt vom mächtigen Schloss Fürstenstein und wie ein Schweizer Käse von unterirdischen Stollen durchlöchert, wird zu einem magischen Ort, in dem Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben sind. Glückssucher wie Alicjas Vater vermuten in der geheimen Unterwelt der Stadt den sagenhaften Goldschatz Hitlers, andere träumen von der schönen Märchenprinzessin Daisy, der letzten deutschen Schlossbewohnerin. Die heutigen polnischen Bewohner leben in den Relikten deutscher Vergangenheit.

Alicja kehrt in das Haus ihrer Eltern zurück. Sie ist die einzige Überlebende der Familie. Ihre Schwester hat sich mit 17 Jahren umgebracht, ihre Mutter, von den Gespenstern der Vergangenheit gepeinigt, machte sich eines schrecklichen Verbrechens schuldig. Die Familiengeschichte der Tabors erinnert an eine griechische Tragödie, deren letzte Zeugin Alicja zur Nachwelt spricht.

Joanna Bators Roman ist ein aus vielen Schichten sorgfältig verwobenes Kunstwerk. Trägt man eine Schicht ab, erschließt sich die nächste. Es ist ein magisches Panoptikum, bevölkert von seltsamen und unheimlichen Gestalten, die einen geheimnisvollen Draht zur Vergangenheit haben. Doch auch erschreckend gegenwärtige Stimmen sind zu hören. Hasserfüllte, ausländerfeindliche Parolen aus dem Internet geben dem Roman einen bedrohlichen Unterton. Bator verbindet verschiedene Sprachebenen und Akteure meisterhaft zu einem aufrüttelnden Roman, in dem am Ende auch die Kriminalgeschichte gelöst wird. (sp)

Joanna Bator: "Dunkel, fast Nacht", Suhrkamp Verlag, Berlin, 511 Seiten, 25,70 Euro

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