Buchpreis für Julia Kröhn: Sie gibt der Vergangenheit Gesichter

Von Von Karin Schütze   22.November 2010

OÖN: Sie leben als Autorin und Journalistin in Frankfurt am Main. Verbindet Sie noch etwas mit Ihrer Heimatstadt?

Kröhn: Obwohl ich seit neun Jahren in Frankfurt lebe, ist und bleibt meine Heimat Österreich. In Linz leben meine Großmutter und einige Freunde, mich verbinden mit dieser Stadt viele Erinnerungen – vor allem an die Schulzeit. In Linz hat meine Autorenkarriere begonnen – im Ursulinenhof und im Adalbert-Stifter-Haus hatte ich meine ersten Lesungen. Und: Solche guten Mehlspeisen wie im Café Jindrak bekomme ich in ganz Frankfurt nicht. Mein Bezug zu Oberösterreich zeigt sich nicht zuletzt in manchen meiner Bücher: Mein Fantasyroman „Der Kuss des Morgenlichts“ und „Der Fluch der Abendröte“, der im Mai 2011 erscheint, spielen in Hallstatt.

OÖN: Ihr erstes Gefühl, als Sie erfahren haben, den Corine- Publikumspreis zu erhalten?

Kröhn: Ich war schlichtweg überwältigt. Ich wusste zwar, dass ich zu den zehn Nominierten gehörte, habe mir aber angesichts der namhaften Mitbewerber, wie Rebecca Gablé oder Henning Mankell, nicht die geringsten Chancen ausgerechnet.

OÖN: Was fasziniert Sie an historischen Romanen?

Kröhn: Ich habe mich immer sehr für vergangene Epochen interessiert. Schon als Kind war ich von Orten wie Pompeji, alten Schlössern oder Burgruinen fasziniert. Ich habe mir damals immer Geschichten ausgedacht. Ich wollte nicht einfach nur Daten hören – ich wollte konkrete Gesichter vor mir sehen! Als ich zu schreiben begonnen habe, war das zunächst eine Art Vehikel, um ganz tief in die Vergangenheit eintauchen zu können. Die Leidenschaft für alles Historische hat mich dazu bewogen, Geschichte zu studieren. Doch die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Vergangenheit hat für mich nie die gleiche Bedeutung wie die Annäherung aus fiktionaler Perspektive. Erstere bleibt abstrakt, letztere verheißt die Identifikation mit Einzelschicksalen und nicht nur eine rationale, sondern auch sehr emotionale, persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Trotz aller Begeisterung muss ich aber klar bekennen: Ich lebe sehr gerne in der Gegenwart.

OÖN: „Im Land der Feuerblume“ handelt von einer deutschen Familie, die nach Chile auswandert. Warum dieses Thema?

Kröhn: Während einer Chile-Reise 2002 habe ich zum ersten Mal vom Schicksal der deutschen Auswanderer erfahren, die im 19. Jahrhundert den Aufbruch in ein neues Leben gewagt haben. Die chilenische Regierung ließ damals systematisch erfahrene Bauern und Handwerker aus Deutschland – und übrigens auch aus Österreich – anwerben, damit diese das bis dahin weitgehend menschenleere südchilenische Seengebiet besiedelten. Den Siedlern oder „Kolonisten“, wie sie sich selbst nannten, wurde die Chance geboten, eigenes Land zu bewirtschaften. Dieses Land mussten sie sich allerdings erst mühsam erarbeiten, da sie keine funktionierende Infrastruktur vorfanden. Fernab jeglicher Zivilisation schufen die Kolonisten eine Art „Klein-Deutschland“, in der sie ihre Sprache und Sitten über Generationen am Leben erhielten. Die Geschichte von diesen deutschen Auswanderern hat mich sehr fasziniert und blieb nach meinem Chile-Aufenthalt in meinem Hinterkopf hängen. Als ich Jahre später eine Fernsehdokumentation über dieses Thema sah, ist das Interesse daran sofort wieder erwacht.

OÖN: Sie schreiben unter verschiedenen Pseudonymen: Carla Federico, Leah Cohn, Katharina Till. Weshalb gleich drei?

Kröhn: Meine ersten Bücher wurden unter meinem richtigen Namen veröffentlicht – großteils historische Romane, die im Mittelalter spielen. Als Julia Kröhn veröffentliche ich demnächst auch Kinderbücher beim Carlsen Verlag. In den letzten Jahren hat es mich immer wieder gereizt, etwas Neues auszuprobieren – sei es ein Krimi wie „Sünde“ von Katharina Till, ein Fantasyroman wie „Der Kuss des Morgenlichts“ von Leah Cohn. Dass ich für jedes neue Genre einen neuen Autorennamen verwende, hat damit zu tun, dass ich bei verschiedenen Verlagen veröffentliche und diese aus marketingtechnischen Gründen eine entsprechende Abgrenzung wünschen. Gerade wenn man mehr oder weniger hauptberuflich vom Schreiben lebt, schafft es eine gewisse Sicherheit, mehrere Standbeine zu haben.

OÖN: Ihren ersten Roman haben Sie mit 14 Jahren geschrieben. Könnten Sie sich etwas anderes als Schreiben vorstellen?

Kröhn: Es gab in meinem Leben vieles, was ich gerne und leidenschaftlich gemacht habe. Nach meinem Studium – Geschichte, Philosophie und Theologie – habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Salzburg gearbeitet. Später habe ich in Frankfurt meine Ausbildung zur Fernsehjournalistin gemacht, bis heute betreue ich freiberuflich als Redakteurin zwei Sendungen bei Pro7 und N24. Aber in all den Jahren habe ich immer nebenbei geschrieben. Jobs kommen und gehen – aber die Berufung bleibt.