Männerschnupfen: Gibt es ihn wirklich?
Männer haben eine niedriger Schmerzgrenze als Frauen. Testosteron unterdrücke die Funktion von Abwehrzellen.
Männer sind in ihrer Immunabwehr Frauen gegenüber benachteiligt: Mit dieser Aussage hat eine Innsbrucker Forscherin mitten ins Zentrum des Klischees vom "Männerschnupfen" getroffen. Hormonell bedingte Unterschiede des männlichen und weiblichen Immunsystems gibt es tatsächlich - eine Entschuldigung für häufigeres Kranksein ist das jedoch noch lange nicht.
Um die Gesundheit von Männern rankt sich seit Jahrzehnten ein Mythos: Wenn Männer krank sind, leiden sie besonders intensiv, viel stärker als das angebliche "schwache" Geschlecht. Dass da was dran ist, wissen viele Frauen aus erster Hand - die Pflege ihrer verschnupften Partner gleicht nicht selten einer Operation am offenen Herzen bei vollem Bewusstsein des Patienten.
Eine biologische Erklärung, dass Frauen sich zu Unrecht über die niedrige Schmerzgrenze der Männerwelt lustig macht, liefert der unter den Geschlechtern verschiedene Hormonhaushalt, erklärte die Innsbrucker Forscherin Beatrix Grubeck-Loebenstein. Die Immunologin untersucht am Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung der Universität Innsbruck altersbedingte Veränderungen im Immunsystem.
Während das weibliche Geschlechtshormon Östrogen die zur Bekämpfung von Krankheitserregern notwendigen Immunzellen stimuliere, wirke sich das männliche hormonelle Pendant Testosteron genau gegenteilig aus und unterdrücke die Funktion von Abwehrzellen. Echte Kerle träfe es indes besonders stark: je höher der Testosteronspiegel, desto stärker die unterdrückende Wirkung - und umso stärker das Leid? "Nicht unbedingt", so Grubeck-Loebenstein. Unterschiede im Leidensdruck - also dem subjektiven Erleben eines Leides - seien hormonell nicht zwangsläufig zu erklären: "Darauf können allemal Psychologen eine Antwort geben."
Die unterdrückende Wirkung der männlichen Sexualhormone auf die Immunabwehr während Infektionen und nach Impfungen sei jedoch tatsächlich wissenschaftlich belegt. "Da habt ihr's", mag es nun so manchem Mann auf der Zunge brennen - wie viel Spott, wie viel Häme und vor allem wie viele quälende Erkältungen mussten sie doch über sich ergehen lassen, bevor ihnen nun endlich die Wissenschaft zu Hilfe eilt. Eine kleine "Genugtuung": Mit den Wechseljahren verlieren auch Frauen ihre hormonellen Privilegien und bei Autoimmunerkrankungen dreht sich der Spieß gar um.
Wofür es laut Grubeck-Loebenstein noch keine zwingenden Beweise gibt, ist eine allein durch den Hormonunterschied bedingte höhere Anfälligkeit der Männer für Krankheiten: "Hier sprechen wir nur von Tendenzen." Denn während Männer bei der einen Erkrankung stärker betroffen sind - etwa bei saisonaler Influenza oder Lungenentzündung - weisen Frauen dafür in anderen Bereichen erhöhte Anfälligkeit auf, zum Beispiel im Fall von Herpes. Vielmehr würde zu den biologischen Ursachen von Erkrankungen ein wesentlicher Aspekt hinzukommen: die Umweltfaktoren. Es sei eine Tatsache, dass Frauen gesundheitsbewusster leben, etwa bei Ernährung, Impfung und Vorsorge disziplinierter sind. "Ihren Lebensstil können Männer selber beeinflussen", betont Grubeck-Loebenstein. Und der habe einen stärkeren Einfluss auf den Gesundheitszustand. Noch immer lebten Männer jedoch risikoreicher und weniger körperbewusst, rauchten mehr und konsumierten mehr Alkohol. Ganz auf den biologischen Wettbewerbsnachteil kann sich Mann also nicht berufen, wenn es mal wieder irgendwo zwickt.