Gastkommentar – Demenz: Nicht vergessen!
Gastkommentar von Franz Kehrer, Direktor der Caritas in Oberösterreich zum Weltalzheimertag am 21. September 2017.
"Man hat mir meine Tasche gestohlen!" Bei einigen Menschen mit Demenz sind das erste Anzeichen der Erkrankung, wenn sie Dinge nicht mehr finden und dann falsche Beschuldigungen erheben. Später leben die Betroffenen dann zunehmend in der Vergangenheit und erkennen mitunter auch Familienangehörige nicht mehr. Nicht selten suchen Menschen mit Demenz ihre längst verstorbenen Eltern oder wollen die Kinder zur Schule bringen.
Für Angehörige ist es oft ein großer Schock, solche Verhaltensweisen bei ihren Lieben zu beobachten. Plötzlich ist alles anders – und auch das eigene Leben auf den Kopf gestellt. Viele brauchen dann ständige Betreuung rund um die Uhr, weil die Erkrankung dafür sorgt, dass sich die Betroffenen allein auch selbst gefährden – vergessen, den Herd abzuschalten oder einfach in der Umgebung umher irren.
Zum Weltalzheimertag sollten wir uns bewusst machen, dass diese Erkrankung jeden von uns treffen kann – sei es als Erkrankte selbst oder als Angehörige. Wir als Caritas setzen uns dafür ein, dass Menschen mit Demenz ebenso wie ihre betreuenden Angehörigen jede mögliche Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Eine große Hilfe ist u.a. Wissen. Denn wenn man über den Verlauf der Erkrankung Bescheid weiß, kann man sich besser darauf einstellen und auch Möglichkeiten der Kommunikation und des Umgangs mit erkrankten Menschen erlernen. Wir und andere Organisationen bieten dazu Kurse an. In Beratungsstellen und bei Gesprächsgruppen für pflegende Angehörige kann man sich ebenfalls Tipps für den Alltag holen.
Besonders wichtig ist aber auch der Ausbau wohnortnaher Betreuungsangebote, die Angehörigen die Möglichkeit zur zeitweisen Entlastung geben. So wissen wir zum Beispiel aus der Erfahrung mit unserem Tageszentrum für Menschen mit Demenz in Linz, wie wertvoll es für Angehörige ist, wenn sie ihre Mutter, den Vater oder Partner hier den Tag über gut betreut wissen und dann auch einmal Zeit für sich und die eigenen Bedürfnisse haben, bzw. ihrer Arbeit nachgehen können.
2016 wurde in Österreich eine nationale Demenzstrategie beschlossen – diesem wichtigen Schritt müssen nun zügig die nächsten folgen. Das bedeutet allerdings auch, dass solidarisch dafür staatliche Mittel aufgebracht werden müssen – denn mit Spenden und freiwilligem Engagement allein werden wir die Herausforderung nicht bewältigen. Durch Zusammenhalt kann es aber gelingen: denn das Leben mit Demenz muss und kann so gestaltet werden, dass es lebenswert bleibt – für die Betroffenen ebenso wie für die Angehörigen. Damit das Leben nicht auf dem Kopf stehen bleibt.