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Zukunft für die Kirche gesucht

Von Heinz Niederleitner, 26. Mai 2012, 00:04 Uhr
Zukunft für die Kirche gesucht
Volle Kirchenbänke werden seltener. Die Frage ist, wie die Kirche als kleinere Gruppe lebendig bleibt. Bild: Weihbold

Pfingsten gilt als Geburtstag der Kirche. Nach 2000 Jahren sucht das Christentum nach Wegen für die Zukunft – eine Analyse am katholischen Beispiel.

Jüngst in einer römisch-katholischen Kirche: Die Bänke sind dünn besetzt. Aber es ist ein Priester da, der mit der Gemeinde die Sonntagsmesse feiert. Er predigt zum Weltgebetstag für geistliche Berufe, spricht über den Priestermangel und die Probleme der Kirche. Zum Schluss sagt er: „Vielleicht ist hier der Heilige Geist am Werk, der sagt: Es muss nicht immer alles so bleiben, wie es ist.“

Dass die katholische Kirche in Österreich und in ganz Europa unter Veränderungsdruck steht, erleben Gottesdienstbesucher seit Jahren: Sie werden weniger und müssen immer öfter auf einen Priester verzichten. Es wird schwieriger, Menschen zur ehrenamtlichen Mitarbeit in den Pfarren zu gewinnen. Die offiziellen Kirchenmitglieder werden auch in Jahren ohne hausgemachte Skandale weniger. Manche Religionssoziologen sagen, es sei die Bindung, die nachlässt, weniger die individuelle Spiritualität (trotz des neuen Atheismus). Für die Kirche ist das aber kein Trost.

Fragt man nach der Situation der katholischen Kirche in Europa und nach ihrer Zukunft, sind die Antworten widersprüchlich. Das beginnt bei der Diagnose: Während zum Beispiel der in Rom lehrende Theologe Achim Buckenmaier von einer „Krise“ der Kirche im Sinne einer Entscheidung über den künftigen Weg spricht, lehnt der Wiener Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner das Wort „Krise“ ab: Der Wandel der Zeit mute der Kirche (wie schon früher immer wieder) einen Umbau ihrer Gestalt zu. Immerhin ist man sich in der Kirche weitgehend einig, dass Reform nottut. Heftig gestritten wird über ihre Richtung und Ebene.

Es gibt keine Garantien

Progressive Gruppen fordern seit Jahrzehnten zum Beispiel ein Ende des Pflichtzölibats und die Priesterweihe für Frauen. Doch dabei geht es um Fragen der Gerechtigkeit und der Theologie. Diese Fragen wären auch ohne schrumpfende Kirchenmitgliedszahlen aktuell. Änderungen sind hier notwendig, aber für sich allein genommen keine Garantie dafür, dass die Kirche unter den Menschen neuen Zuspruch findet. Für die Kirchenleitung ist das oft ein billiger Vorwand, die Diskussion über Zölibat oder Frauenweihe zu verweigern: Die Probleme würden auf einer anderen Ebene liegen: Glaubensverlust, geringer werdendes Wissen über Glaubensinhalte und mangelnde Glaubensweitergabe in den weniger werdenden „klassischen“ Familien.

Vieles von dem folgt üblichen kulturpessimistischen Reden nach dem Motto: Früher war alles besser. Es stimmt zwar, dass religiöses Wissen immer weniger verbreitet ist. Nur macht weniger das religiöse Wissen einen Christen aus als der Versuch, nach dem Vorbild des Jesus von Nazareth zu leben. Deshalb ist es durchaus fragwürdig, wenn Bischöfe Katechismusbücher wie den „Youcat“ verteilen, in denen zum Beispiel in moralischen Fragen nur die ultrakonservative Haltung der Kirche verbreitet wird.

Besonders gerungen wird über die künftige Struktur der Seelsorge. Für in den Pfarren beheimatete Katholiken ist das der sensibelste Punkt: Nicht nur manche Pastoraltheologen erklären die klassische Pfarrgemeinde zum Auslaufmodell: Kürzlich hat Wiens Erzbischof Christoph Schönborn behauptet: „Die lebendige Pfarre traditioneller Art gibt es zwar immer noch, aber sie ist heute schon eine Ausnahmeerscheinung.“

„Masterplan“

Das ist zunächst vor allem eine Aussage zugunsten Schönborns eigenen „Masterplan“ für seine Diözese, der auf folgendes Modell hinauszulaufen scheint: Die Verwaltungseinheit „Pfarre“ soll tendenziell größer (sprich: zusammengelegt) werden, das gemeinschaftlich-religiöse Leben soll sich in kleinen „Gemeinschaften“ unterhalb dieser Ebene abspielen.

Verwaltung und religiöses Leben müssen natürlich nicht in der Pfarrgemeinde zusammengelegt bleiben. Das wird für die Kirche allein aus wirtschaftlichen Gründen schwierig.

Allerdings sollte man die Probleme nicht ausblenden: Trennt man Pfarre und Gemeinschaft, müssen logischerweise Seelsorger und Priester bei den Menschen sein und dürfen nicht in der „Zentrale“ sitzen bleiben. Dann stellt sich aber deutlicher als heute die Frage, ob nicht verheiratete Männer und Frauen zu Priestern geweiht werden müssen, um (ehrenamtlich) das sakramentale Leben sicherzustellen. Taucht der Priester nur gelegentlich auf, wäre das nur eine halbe Reform.

Die schrumpfende Kirche ist zudem einer Gefahr für ihre Identität ausgesetzt: sich einzubilden, eine elitäre Gemeinschaft der „Besseren“ zu sein. Dass eine solche Haltung mit einer Jesus-Nachfolge unvereinbar ist, ist klar. Aber manche charismatische Gruppen dürften das Jesus-Wort, wonach seine Anhänger das „Salz der Erde“ sind, falsch verstanden haben: Sie neigen dazu, sich gegenüber der Welt (und als vermeintlich bessere Christen auch gegenüber dem Rest der Kirche) abzuschließen. Konservative Kirchenvertreter sehen die Zukunft der Kirche vor allem in diesen Gruppen. Auch manche junge Priester betonen in Kleidung und Haltung ein „Anderssein“ gegenüber den Gläubigen. Es ist zu befürchten, dass sich spirituell nüchternere Christen davon nicht angezogen, sondern abgestoßen fühlen.

Notwendiges Risiko

Zum Schluss bleibt die Frage: Wie soll sich die Kirche verändern? „Die Zukunft wird nicht das sein, was wir heute geplant haben“, schreibt der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher. Absehbar ist, dass alle Beteiligten ein Risiko eingehen müssen: Die Kirchenspitze wird von starren Vorstellungen abrücken und den Gemeinden vor Ort mehr Gestaltungsspielraum geben müssen. Und die Gemeinden werden auf Gewohntes verzichten und Neues wagen müssen.

Wie leben „Riesenpfarren“? - Bericht von einer „Pfarre neuen Typs“

Nicht in der Diözese Linz, aber anderswo in Österreich stehen Pfarrfusionen an. Aber wie „macht“ man das jenseits der rechtlichen Änderungen, wie kann so ein Gebilde funktionieren? Das Buch bietet einen theoretisch abgewogenen und praktischen konkreten Bericht.

Andreas Unfried u. a.: „XXL-Pfarrei. Monster oder Werk des Heiligen Geistes?“ Echter Verlag, 184 Seiten, 15,30 Euro.

Buchtipps

Der „Markt“ der Kirche
Für seine Analyse der aktuellen Situation der römisch-katholischen Kirche zieht der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher das Konzept des „Marktes“ heran, geht dann aber weit darüber hinaus. Er sieht die Zukunft der Seelsorge in einer Rückbesinnung auf das Zweite Vatikanische Konzil und versucht sein Konzept ohne aus seiner Sicht wenig realistische Reformforderungen zu entwickeln.

Rainer Bucher: „... wenn nichts so bleibt, wie es war. Zur prekären Zukunft der katholischen Kirche.“ Echter Verlag, 237 Seiten, 15,30 Euro.

Die christliche Gemeinde
In diesem eher essayistisch geschriebenen Buch versucht der in Rom lehrende Theologe Achim Buckenmaier den „Bauplan“ für die Kirche in Erinnerung zu rufen. Das Buch bietet zahlreiche interessante Hintergründe, bezieht sich mehrmals auf Benedikt XVI., bleibt aber wenig konkret, wenn es um Reformvorschläge geht. Fazit: Man kann als Leser einiges erfahren, muss seine Schlüsse aber selber ziehen.

Achim Buckenmaier: „Ist das noch unsere Kirche? Die Zukunft der christlichen Gemeinde. Verlag Friedrich Pustet, 160 Seiten, 17,30 Euro.

Visionen für die Kirche
Die Kirche ist in keiner Krise, sondern in einer immer wieder auftauchenden Umbruchphase, sagt der bekannte Wiener Pastoraltheologe Paul Michael Zulehner. Was sie nun benötige, seien unverbrauchte Visionen. Zulehner stellt einige seiner Visionen, die er aus der Bibel, der Kirchengeschichte, auch aus der Kunstgeschichte bezieht, vor. Herausgekommen ist ein inspirierendes, tiefgründiges und doch leicht zu lesendes Buch.

Paul M. Zulehner: „Kirchenvisionen. Orientierung in Zeiten des Kirchenumbaus.“ Patmos Verlag, 159 Seiten, 13,30 Euro.

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