Spielsüchtiger blitzte mit Klage ab

Von nachrichten.at/apa   13.Dezember 2016

Laut Landesgericht Korneuburg war der Mann zwar jahrelang spielsüchtig, aber nicht geisteskrank. Zuvor hatte der Mann schon 400.000 Euro von Novomatic und 250.000 Euro von den Casinos Austria bekommen.

In Spielerverfahren wie diesen geht es im Wesentlichen um die Frage, ob die Kläger wirklich spielsüchtig und in der Folge teilweise geschäftsunfähig waren. Falls ja, haben sie gute Chancen, verspieltes Geld zurückzubekommen.

Meist werden dazu Sachverständige zurate gezogen, die rechtlich durchaus unterschiedliche Meinungen vertreten. Von manchen heißt es in der Branche, sie seien prinzipiell "pro Kläger", andere gelten als kritisch.

Der niederösterreichische Glücksspielkonzern Novomatic ist in der jüngeren Vergangenheit mehrmals zur Rückzahlung von hohen Spielverlusten verurteilt worden. Auch der teilstaatliche Casinos-Austria-Konzern hat schon öfter hohe Zahlungen geleistet.

Nicht immer aber kommen Spielsüchtige mit solchen Klagen gegen Glücksspielfirmen durch. Im November hat ein Wiener gegen eine frühere "Wettpunkt"-Betreiberfirma verloren. Weder bekommt er die begehrten 1,2 Mio. Euro, noch wurde ein neuer Sachverständiger bestellt, wie es in dem nicht rechtskräftigen Beschluss heißt.

In dem Verfahren trat Novomatic aufseiten der Beklagten als sogenannte Nebenintervenientin bei, da der Mann auf von Novomatic gemieteten Geräten spielte. Es ging nämlich auch um die Frage, ob die Automaten überhaupt genehmigt waren.

Waren sie, stellte das Gericht fest. Es habe für die Apparate Bewilligungen der Stadt Wien gegeben. Zum fraglichen Zeitpunkt war das sogenannte kleine Glücksspiel in der Bundeshauptstadt noch erlaubt, jetzt ist es verboten.

Was die Abhängigkeit vom Glücksspiel betrifft, "konnte der Kläger zwar nachweisen, dass er spielsüchtig war, nicht aber, im genannten Zeitraum partiell geschäftsunfähig gewesen zu sein. Somit sind die Spielverträge zwischen den Streitteilen wirksam, und der Kläger ist nicht berechtigt, die geleisteten Einsätze zurückzufordern", begründete das Gericht die Abweisung der Klage.

Der Kläger hatte sich im Verfahren gegen die vom Gericht bestellte Sachverständige gewehrt, da diese hauptsächlich im Arbeits- und Sozialrecht tätig sei und sich mit Spielsucht nicht auskenne. Damit kam er bei Gericht aber nicht durch, die Sachverständige habe jahrzehntelange Erfahrung und außerdem obliege es dem Gericht, einen Sachverständigen auszusuchen.

Der Kläger war jahrelang schwer spielsüchtig, wie aus dem Beschluss hervorgeht. Seit 2006 ist er in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung, mehr als 20 mal war er in stationärer Behandlung. "Im Vordergrund der Symptomatik stand eine pathologische Spielsucht, die insbesondere unter gleichzeitigem Alkoholeinfluss zu einer massiven Schädigung des Patienten mit allen sozialen Nachteilen führte."

Wenn er Alkohol trank, seine Medikamente nicht regelmäßig einnahm oder Stress hatte, kam es laut Beschluss zu einer "fehlenden Impulskontrolle mit wiederholten Spielattacken". "In Phasen der guten Einstellung" sei er jedoch "klar und distanziert von seiner Spielsucht und prinzipiell in höchstem Maße kooperationsbereit" gewesen.

Die für den Prozess entscheidende Frage, ob ihn seine Sucht teilweise geschäftsunfähig machte, haben die Sachverständige und auch das Gericht verneint. Spielsucht führe nicht per se zu einer "Aufhebung der eigenverantwortlichen Handlungsfähigkeit", sondern nur im Zusammenspiel mit einer Erkrankung, "die den Realitätsbezug schwer stört und zu einer 'vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit' führt". Eine solche Geisteskrankheit oder eine ähnlich schwere Beeinträchtigung sei beim Kläger nicht vorgelegen. Daher sei der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2014 nicht partiell geschäftsunfähig gewesen.

In diesen Jahren hat der Mann regelmäßig in Automatenkabinen der Beklagten im zweiten und zehnten Wiener Gemeindebezirk gezockt und teilweise auch viel Alkohol getrunken. Gegenüber der Sachverständigen gab er an, dass er bis 2010 jeweils zehn bis 20 kleine Biere pro Abend konsumiert habe. Meist, stellte das Gericht fest, spielte der Kläger mit einem Freund. Die beiden verbrachten oftmals "zwischen 24 und 36 Stunden durchgehend an den Automaten und ließen sich von Mitarbeitern der Lokale in der jeweiligen Spielkoje einsperren, um ungestört spielen zu können." Laut eigenen Angaben hat er im Monat zwischen 7.000 und 20.000 Euro verspielt.

Wegen der hohen Spielverluste hat der Mann schon in der Vergangenheit einen Anwalt eingeschaltet. "Im Jahr 2007 führte er einen Prozess mit Casinos Austria, bei dem sich Casinos Austria zu einer Vergleichszahlung von 250.000 Euro verpflichtete", heißt es in dem Beschluss. Der Mann hatte in den Jahren immer nebenbei Toto gespielt und dabei von 2005 bis 2010/11 rund 1,5 Mio. Euro gewonnen. Dieses Geld steckte er dann größtenteils in Glücksspielautomaten.

Laut LG Korneuburg hatte der Mann Angst, dass ihm die Casinos Austria die Gewinne wegen seiner partiellen Geschäftsunfähigkeit nicht auszahlen würden, daher ließ er sich die Beträge - teils im sechsstelligen Bereich - schon 2005 sowie ab 2007 auf das Konto einer Frau auszahlen.

Eine erkleckliche Summe Geld bekamt der Kläger auch vom Novomatic-Konzern. Im Sommer 2011 hatte er eine Novomatic-Tochtergesellschaft auf mehr als 936.000 Euro verklagt. Er brachte ebenfalls vor, (teilweise) geschäftsunfähig zu sein. Im November 2012 einigten sich die Streitparteien schließlich auf einen 400.000 Euro schweren Vergleich - "aufgrund des damaligen Kenntnisstandes aus prozessökonomischer Sicht" und "über Wunsch der damaligen Geschäftsführung", wie Novomatic-Anwalt Peter Zöchbauer der APA erklärte.

Jetzt will sich Novomatic das Geld wieder zurückholen und erwägt rechtliche Schritte gegen den Mann. "Wir prüfen nun, ob dieses alte Verfahren im Hinblick auf die nunmehr vorliegende Entscheidung des LG Korneuburg (und die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Feststellungen) wieder aufgenommen werden kann", kündige Zöchbauer an.

Der Kläger hatte noch weitere Einnahmequellen, wie sich aus dem Korneuburger Beschluss erschließt: Von einem Mann, gegen den er prozessiert hat, bekam er insgesamt Vergleichszahlungen in Höhe von 57.500 Euro.

Der Beschluss erging am 21. November und ist nicht rechtskräftig, so das LG Korneuburg auf APA-Anfrage. Die Streitparteien haben vier Wochen (ab Zustellung) Zeit, Rechtsmittel einzubringen.