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Flüchtlingsdrama: Schlepper in U-Haft bestreiten Tat

Von nachrichten.at/apa, 29. August 2015, 21:16 Uhr
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Bildergalerie Flüchtlingsdrama im Burgenland
Bild: (APA/ROLAND SCHLAGER)

KECSKEMET. Zwei Tage nach dem grausigen Fund von 71 vermutlich erstickten Flüchtlingen in einem Lkw auf der A4 im Burgenland hat ein ungarisches Gericht vier mutmaßliche Schlepper in Untersuchungshaft genommen.

Nach dem Fund von 71 vermutlich erstickten toten Flüchtlingen in einem Kühltransporter auf der A4 im Burgenland sind am Samstag vier Verdächtige in Ungarn in Untersuchungshaft genommen worden. Sie bestritten die Anschuldigungen, sagte Ferenc Bicskei, Gerichtspräsident des Kreisgerichts der südungarischen Stadt Kecskemet bei einer Pressekonferenz.

Die Männer im Alter von 28, 29, 37 und 50 Jahren - ein afghanischer und drei bulgarische Staatsbürger - waren nach der Entdeckung der toten Flüchtlinge, darunter auch vier Kinder, in Ungarn gefasst worden. Bei ihnen handle es sich "sicher um die unterste Ebene", betonte der burgenländische Polizeichef Hans Peter Doskozil am Samstag gegenüber der APA.

U-Haft bis 29. September

Die Verdächtigen bleiben nun bis 29. September in U-Haft. Das Gericht kam damit der Forderung der Staatsanwaltschaft nach, die auf die "außergewöhnliche Schwere des Verbrechens" verwiesen hatte. Außerdem warf die Anklagebehörde den Männern "geschäftsmäßig" organisierten Menschenhandel und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor.

Bereits am Freitagnachmittag wurden alle 71 Toten nach Wien überstellt, sagte Doskozil im APA-Gespräch. 16 Personen wurden bisher obduziert, berichtete der Polizeichef. Aus heutiger Sicht gehe er davon aus, dass "Mitte, Ende nächster Woche" die Obduktionen abgeschlossen sein werden.

Spezialteam untersucht LKW

Ab Sonntag wird ein Spezialteam, ein sogenanntes DVI-Team (Desaster Victim Identification), im Einsatz sein. Das etwa zwanzigköpfige Team soll DNA-Material so sichern, dass auch im Nachhinein, also nach einer Beerdigung, eine Identifizierung gemacht werden kann. Auch die Handys der Opfer werden ausgewertet.

Neben diesen Ermittlungen hat das Burgenland voraussichtlich auch bald mit einem großen Flüchtlingsandrang zu rechnen. Von 7.000 Flüchtlingen, die von Mazedonien über Serbien und Ungarn nach Österreich unterwegs sein sollen, war zunächst die Rede. "Wir werden Personal anfordern. Ich gehe davon aus, dass wir vielleicht schon morgen oder spätestens am Montag das Personal bei uns haben", meinte Doskozil. Bei der ersten Tranche sollen eventuell auch mehr als die von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bereits am Freitag angekündigten 30 Polizisten aus Kärnten und der Steiermark dabei sein.

Bundesheer hilft

Das Bundesheer war am Samstag bereits unterstützend tätig und half u.a. beim Aufbau eines großen Zeltes sowie eines Rotkreuz-Zeltes vor der Nova-Rock-Zelthalle in Nickelsdorf. Außerdem wurde eine Lkw-Halle der Autobahnmeisterei Parndorf adaptiert, um Flüchtlinge dort unterbringen zu können. Weiters wolle man im unmittelbaren Bereich der AGM Dienststelle Schachendorf auf Bundesgrund zwölf Container aufstellen, teilte der Polizeichef mit. "Und wir haben als letzte Maßnahme jetzt ad hoc wegen der vermuteten Zuströme, die Lkw-Kontrollstelle Zollstelle Heiligenkreuz so adaptiert, dass wir sie auch als Sammelstelle verwenden können", erläuterte Doskozil.

Mikl-Leitner kündigte am Samstag in einer Aussendung verstärkte polizeiliche Maßnahmen zur Schleppereibekämpfung an. Demnach wurden im Innenministerium gemeinsam mit den betroffenen Landespolizeidirektionen Maßnahmen erarbeitet. Man sei sich darüber bewusst, dass "Polizeikontrollen zu Staus führen werden", hieß es in der Aussendung. Temporäre Verkehrsbehinderungen müssten jedoch in Kauf genommen werden, "wenn man Menschenleben retten will".

Verbleib der Leichen nach Obduktion offen

Die Obduktion der Leichen in Wien dauerte am Wochenende noch an. Am Freitag wurden sechs, am Samstag zehn weitere Flüchtlinge obduziert. Wohin die Leichen nach der Obduktion, die wohl Mitte, Ende der Woche abgeschlossen sein dürfte, gebracht werden, war zunächst unklar und dürfte eine Frage der Kapazität sein, hieß es von Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil.

"Wir werden gemeinsam mit der Gerichtsmedizin Wien und der Bestattung Wien entscheiden müssen, ob sie in Wien bleiben können. Wenn dort die Kapazitäten nicht ausreichen, überstellen wir sie wieder zurück nach Nickelsdorf in die Veterinärdienststelle, weil dort eben eine Kühlsituation vorhanden ist", erläuterte der Polizeichef.

"Die Bestattung wird auch davon abhängen, inwieweit man verifizieren kann, welcher Konfession diese Menschen angehören. Falls sie der islamischen Religion angehören, gibt es durchaus schon Intentionen der Islamischen Glaubensgemeinschaft, hier vielleicht eine Bestattung in Wien durchzuführen."

Parndorf müsste Bestattung übernehmen

Meldet sich niemand bzw. gibt es keine Angehörigen, sei "in letzter Konsequenz die Gemeinde, in der sie aufgefunden worden sind, zuständig" - also Parndorf, erklärte Doskozil. Man habe diesbezüglich bereits mit dem Vizebürgermeister Kontakt aufgenommen, da der Ortschef auf Urlaub sei, sagte der Landespolizeidirektor. Generell müsse man allerdings erst warten, bis die Leichen von der Staatsanwaltschaft freigegeben werden.

Offen blieb vorerst auch, woher genau die toten Flüchtlinge kommen. Im Burgenland seien bis Mitte, Ende Juli mehr Afghanen als Syrer aufgegriffen worden. Das sei das Hauptklientel. Darüber hinaus gebe es noch die Flüchtlingsgruppe der Pakistani und Iraker, meinte Doskozil. Das seien die vier "Kernnationalitäten", wobei mit Abstand die meisten aus Afghanistan und Syrien stammen. "Jetzt ist ein syrischer Reisepass darunter, jetzt kann man mutmaßen, dass es sich um eine syrische Gruppe handelt, oder ein paar Syrer. Es kann aber durchaus gemischt sein. Das wissen wir aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht."

Hoffnung auf Kontakt

Hoffnung auf Kontakt zu Angehörigen und somit auf Identifizierung besteht u.a. auch durch die sichergestellten Handys - es sollen etwa zehn Stück sein, genaue Zahlen konnten nicht genannt werden - und aufgrund der eingerichteten Hotline. Unter der Telefonnummer 059 133 10 3333 können sich Personen melden, die jemanden unter den 71 toten Flüchtlingen vermuten. "Wir haben am Freitag bemerkt, dass wir mit Englischdolmetscher nicht 100 Prozent unterwegs sind und haben am Samstag die Hotline mit zwei Arabischdolmetschern verstärkt", sagte der Polizeidirektor. Nun sei die Hotline mit insgesamt drei Dolmetschern besetzt. Am Freitag haben sich etwa 30 bis 40 Personen telefonisch gemeldet, rund 35 Anfragen kamen per E-Mail. Hinweise zur Identität einzelner Flüchtlinge gab es zunächst allerdings nicht. Auch Angehörige haben man dadurch zunächst nicht ermitteln können.

Sollten sich Verwandte melden, müsse überlegt werden, ob eine Identifizierung aufgrund eines Augenscheines stattfinden soll. "Das wird vielleicht bei dem einen oder anderen durchaus möglich sein, bei dem ein oder anderen aber nicht. Das muss man dann entscheiden", erklärte Doskozil. Gibt es Angehörige, ist ein wesentlicher Faktor, dass von ihnen DNA-Material, also beispielsweise eine Zahn- oder Haarbürste, an die Polizei übermittelt wird. "Das wird aber wahrscheinlich auch schwierig sein", räumte Doskozil ein. Ob es möglich sei, über einen Verwandten und dessen DNA zumindest die Identität der toten Flüchtlinge zu klären, wisse er nicht. "Einfach ist es nicht."

Ermittlungen wegen "Krone"-Todes-Foto

Die Übergabe des Todes-Fotos des Flüchtlingsdramas auf der A4 im Burgenland an die "Kronen Zeitung" wird ein Nachspiel für den Beamten haben. Die Polizei steht bereits in engem Kontakt mit der Staatsanwaltschaft (StA), schon am Montag muss die Kriminalabteilung einen ersten Anfallsbericht an die StA übermitteln, sagte Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil.

Anschließend werde man an das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) herantreten, um diese Amtshandlung dorthin abzutreten. Denn für Doskozil stehe fest, "dass das Foto von einem Polizisten an Ort und S gemacht worden ist. Dieser ist allen Anschein nach aber nicht derjenige, der das Foto auch weitergegeben hat." Laut Doskozil gebe es irgendwo Wege, "die durch die Polizei gehen. Diese muss man aufdecken und offenlegen", sagte der Landespolizeidirektor.

Das Foto, auf dem die toten Flüchtlinge im Lkw zu sehen sind, hat für Aufregung und zahlreiche Beschwerden beim Presserat gesorgt. Verena Strnad, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Eisenstadt hatte bereits am Samstag den Kontakt der Polizei bestätigt und erklärt, dass ein "erster denkbarer" Tatbestand die Verletzung des Amtsgeheimnisses sei und man dem Bericht der Polizei entgegen sehe. Auch die deutsche "Bild"-Zeitung druckte das Foto mit dem Titel "Foto der Schande". Ein Faksimile davon wurde am Sonntag in der "Kronen Zeitung" veröffentlicht. Es ist damit der dritte Tag in Folge, an dem Leser der Zeitung mit dem Bild der toten Menschen konfrontiert wurden.

 

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