Erste künstliche Wolke produziert Pulverschnee im Skigebiet
Mit einem experimentellen Verfahren wird in Obergurgl versucht, eine neue, energie- und wassersparende Generation von Beschneiungsanlagen marktreif zu machen.
So wichtig Schneekanonen für Skigebietsbetreiber sind, so offensichtlich sind deren Nachteile. Die Geräte schlucken viel Wasser und Energie, produzieren Eiskörnchen statt Schneekristallen, und das bei recht mäßigem Wirkungsgrad.
Im Tiroler Skigebiet Obergurgl wird nun versucht, einer neuen Technik zum Durchbruch zu verhelfen, die günstiger und effizienter Schnee produzieren soll – der künstlichen Wolke. Bisher schneite sie im Labor, seit ein paar Tagen steht ein Prototyp nahe der Mittelstation der Hohe-Mut-Bahn.
Zentraler Baustein des Freiluftlabors ist eine Wolkenkammer, die es ermöglicht, Wassertropfen und Eiskeime miteinander zu vermischen. Wie in einer natürlichen großen Wolke auch, benötigt man für die Schneeproduktion in der Wolkenkammer tiefe Temperaturen, also Temperaturen unter dem Gefrierpunkt, idealerweise kälter als minus 5 Grad Celsius.
Eisplättchenschleuder
Wassertropfen werden in die Wolkenkammer eingesprüht und damit eine kleine, künstliche Wolke erzeugt. Durch die tiefe Umgebungstemperatur kühlen die Tröpfchen ab, meist unter den Gefrierpunkt, aber ohne dabei selbst zu gefrieren. In diesen Nebel werden Kristallisationskeime eingebracht – in diesem Fall kleine gefrorene Eisplättchen. Die Kristallisationskeime wirken dabei wie Magnete, die laufend Wassermoleküle, also Wasserdampf, anziehen und binden. Das bedeutet, dass diese Keime zu größeren Kristallen wachsen und als Schnee aus dem Wolkenbehälter nach unten ausfallen. Ähnlich wie es auch in der Natur passiert.
Bei herkömmlichen Schneekanonen wird bei passender niedriger Außentemperatur Wasser mit hohem Druck in einen Ventilator gesprüht, der dann die Eiskörnchen flächig verschießt. Der Unterschied zwischen Kunst- und Naturschnee ist jedem Skifahrer bekannt und liegt in der weitgehend fehlenden Kristallstruktur des Kunstschnees. Er ist viel dichter, verbindet sich aber schlechter als Naturschnee. Während Schneekanonen aus einem Kubikmeter Wasser zwei Kubikmeter Schnee erzeugen, soll dieses Verhältnis in der künstlichen Wolke 1:15 betragen. Das hieße günstiger Pulverschnee von hoher Qualität. Ökonomisch wäre eine Effizienzsteigerung in der Maschinenschneeproduktion attraktiv, kostet doch ein Kubikmeter Kanonenweiß mehr als drei Euro.
Um in der künstlichen Wolke Schnee in akzeptablen Mengen produzieren zu können, soll der Kristallisationsprozess doppelt so dicht ablaufen wie in einer natürlichen Wolke. Das heißt: Die Nebeldichte in der Wolkenkammer liegt zumindest eine Größenordnung höher als außerhalb.
Utopie: Schnee aus dem Drucker
Der kommende Winter wird zeigen, was die Technik in der Praxis kann. "Ein deutlich reduzierter Energieverbrauch und die wesentlich effizientere Nutzung der Ressource Wasser machen die neue Technik interessant", sagt Michael Bacher, wissenschaftlicher Leiter des Projektes.
Sein Plan: Der pulvrige Neuschnee soll in Skigebieten zunächst dort eingesetzt werden, wo qualitativ hochwertiger Naturschnee den Skibetrieb aufwertet, zum Beispiel in Funparks und auf Anfängerpisten. Ob die patentierte Kristallisationskammer zur großflächigen Beschneiung taugt, steht noch in den Wolken. Die Ausbringung des Schnees gilt es noch zu klären. Eine Utopie gibt es schon: Schneedrucker. Große Raupenfahrzeuge mit künstlichen Wolken huckepack beschneien Hänge streifenweise.