Seit 60 Jahren die Welt im Wohnzimmer
Jubiläum: Am 1. August 1955 startete der Österreichische Rundfunk damit, regelmäßig Programm zu übertragen. Zum heutigen 60. Geburtstag blicken die OÖNachrichten auf prägende Momente der Fernsehgeschichte zurück – von der Live-Sendung zum Staatsvertrag 1955 bis zum Start von Netflix
- Jubiläum: Am 1. August 1955 startete der Österreichische Rundfunk damit, regelmäßig Programm zu übertragen.
- Prägend: Zum heutigen 60. Geburtstag blicken die OÖNachrichten auf prägende Momente der Fernsehgeschichte zurück – von der Live-Sendung zum Staatsvertrag 1955 bis zum Start von Netflix
Geschichtsträchtige Böden werden nicht immer der Bedeutung der Ereignisse gerecht. So steht in der ORF-Chronik, dass der erste TV-Testbetrieb Österreichs von den „ehemaligen Affenställen Maria Theresias in Wien-Meidlung“ gestartet worden war.
Andere Quellen nennen eine kleine Schule als Geburtsort der rot-weiß-roten Fernsehgeschichte. Sicher ist: das regelmäßige TV-Versuchsprogramm startete am 1. August 1955, wobei mit „regelmäßig“ gemeint war, dass in diesem einen Monat in Summe zwölf Stunden gesendet worden waren.
Heute ist das Kastl vielerorts täglich so lange eingeschaltet. Die OÖN erinnern an prägende Wendepunkte dazwischen:
Das neue Österreich: Die Sender Wien-Kahlenberg, Linz-Freinberg und Graz-Schöckl sind ab 1955 Geburtshelfer der Zweiten Republik. Übertragen wird, was Identität stiftet wie die Unterzeichnung des Staatsvertrags. So besonders wie die Ereignisse waren, war das Fernsehen selbst. Auch das Gerät war eine Attraktion. Die Zahl der TV-Teilnehmer stieg von 1959 bis 1964 von 50.000 auf 500.000.
Erstes Aufbegehren: Die „Österreichische Rundfunk Ges.m.b.H.“ hatte ein Problem, das bis heute nachwirkt: politische Einflussnahme. Wichtige Posten werden nach den Mehrheitsverhältnissen der Parteien besetzt. Unabhängige Zeitungen starten 1964 daher das Rundfunkvolksbegehren. Resultat: 832.353 Unterschriften.
Bacher und FS2: Zwei Jahre später wird das Rundfunkgesetz im Nationalrat beschlossen. Gerd Bacher (1925 bis 2015) wird der erste Generaldirektor in einer Institution mit „öffentlichem“ Charakter. Er will kritische Journalisten. Man profiliert sich u. a. mit der Berichterstattung zum Prager-Frühling (1968), der Mond-Landung (1969). „FS2“ (heute „ORF2“) sendet ab 1970 täglich.
Kreisky und der „Tiger“: 1970 wird Sozialdemokrat Bruno Kreisky Kanzler, der sich mit dem konservativen Bacher (Spitzname: „Tiger“) einen Machtkampf liefert. Bacher verliert seinen Posten nach dem neuen, von der SPÖ beschlossenen Rundfunkgesetz (1974). Der ORF wird zur öffentlich-rechtlichen Anstalt, seine Unabhängigkeit erhält Verfassungsrang. Bacher wurde noch zwei Mal General (1978-1986, 1990-1994). Es folgte Gerhard Zeiler (bis 1998) und mit ihm eine massive Programmreform. Es wird 24 Stunden gesendet, Zielgruppen werden hofiert. Erst 2001 beendete das Privat-TV-Gesetz endgültig die Alleinstellung des ORF. Während das Reality-TV zum Phänomen wurde stärker, starteten ATV (2003) und Puls 4 (2004).
Bauchflecke: Bedroht wurde das Ideal eines ausgewogenen Programms aber weniger von inhaltlicher Verflachung als von politischen Interventionen durch die schwarz-blaue Koalition (2000 bis 2006). In einer Rede rechnete ORF-Moderator Armin Wolf 2006 mit diesem System ab, Alexander Wrabetz wird ORF-General. Und landete mit seiner „größten Programmreform aller Zeiten“ („Mitten im Achten“ etc.) einen Bauchfleck. Erholung folgte langsam, aber stetig.
Freiheit: Die vergangenen Fernseh-Jahre sind geprägt von neuen Sendern – von ServusTV bis ORF III. Doch ein Wert schlägt die Vielfalt immer deutlicher: individuelle Freiheit. Und die bietet eher der 2014 gestartete Internet-TV-Dienst „Netflix“, als eine TV-Thek.
„Am schwierigsten war die Zeit der schwarz-blauen Regierung“
Im OÖNachrichten-Gespräch erinnert sich der frühere Landesstudio-Chef Hannes Leopoldseder an seine Jahre beim ORF. Der 75-jährige "Vater" des Linzer Ars Electronic Centers, hat die Entwicklung des Fernsehens in Österreich über Jahrzehnte miterlebt und auch geprägt.
Ab 1967 war er zunächst Innenpolitik-Redakteur im Aktuellen Dienst der „Zeit im Bild“. Der damalige Generalintendant Gerd Bacher hatte ihn selbst entdeckt – über eine Kritik, die Leopoldseder in der deutschen „Die Welt“ zu Bachers ersten Amtshandlungen geschrieben hatte. „Im November 1967 bin ich dann blitzartig angestellt worden“, sagt Leopoldseder, der sich zuvor bereits beworben, aber eine Absage erhalten hatte.
Der Auftrag an ihn und seinen Bekannten, den späteren ORF-General Gerhard Weis, war klar: „Als junge Speerspitze sollten wir kritische Interviews machen.“ Bis 1974 erlebte der Mühlviertler die Politik von Bruno Kreisky hautnah. Gab es parteipolitische Interventionen? „Es gab null Einfluss. Der Garant dafür war Bacher.“
Mit 34 Jahren wurde Leopoldseder Intendant des ORF-Landesstudios Oberösterreich, er blieb es 24 Jahre lang. Sein Motto zum Start: „Live, live, live. Jede Moderation musste live sein. Und wir mussten nach draußen, zu den Menschen, ins Land.“ Seine „schwierigsten beruflichen Jahre“ sollten ab 1998 folgen, er wurde zum ORF-Informationsintendanten bestellt. Einerseits verantwortete er als solcher die Berichterstattung tragischer Großereignisse wie in Galtür, Kaprun und den „11. September“. „Am schwierigsten war aber die Zeit der schwarz-blauen Regierung und der Sanktionen. Ein Wahnsinn.“ Ob in vollem Ausmaß, auch über die Demos, berichtet wurde? „Natürlich. Es hieß, wir hätten schon am ersten Tag zuviel dazu gemacht und dann gleich aufhören sollen.“ (nb)
40 Jahre ZiB - Die Höhepunkte
Was am 3. Februar 1975 de facto als TV-Experiment begann, ist heute, nicht zuletzt durch die tägliche Ausstrahlung via 3sat, eine der anerkanntesten Nachrichtensendungen im deutschen Sprachraum. Mit aktuell (2015) im Schnitt 590.000 Zuseherinnen und Zusehern bei 26 Prozent Marktanteil zudem eine der erfolgreichsten und meistzitierten. Am 3. Februar 2015 widmet sich um 22.25 Uhr in ORF 2 die Spezialsendung "40 Jahre ZiB 2" dem Jubiläum und zieht dabei eine bemerkenswerte Bilanz, die von Yassir Arafat bis Otto Waalkes reicht und auch eine Kuh im Studio beinhaltet. Unser Bildergalerie zeigt einige Höhepunkte der beliebten Sendung.
Bacher der Schützling der Politik !!! dem haben wir die Einmischung der Politik beim ORF zu verdanken ...
mein Vater hat 1957 schon einen Fernseher gekauft ! damals auch in Frankreich ein LUXUS .
Pep, es ist erschreckend, wie wenig die Leute von Politik wieesen, verstehen.
Ein Nachbar hatte für Radio einen kleinen Empfänger mit Akku, den er im Ort beim Mechaniker laden liess. Wir bekammen zu Weihnaten 1954 Stromanschluss und ein Radio (nebst anderem). Schon damals war der Einfluss der Regierungsfraktionen unter Interessierten ein Thema, wenn auch nur so nebenbei.
Mit Einführung des Fernsehens kristallisierte sich der Einfluss: Radio schwarz, Fernsehen rot. Später wurde dies unerträglich, und so kam es wunderbarerweise und dankenswerter weise zum Rundfunkvolksbegehren.
Meine Meinung ist, dass der Tiger den Einfluss kanalisierte, dazu imstande war, und so relativ freie Ghand für seine Gestaltung hatte. Ohne die Zwänge zum Beispiel von Keller.
Ist dir beim Kreisky-Bild etwas aufgefallen?
(Politik ist keine gmahde wiesen, das könnte fast so erscheinen, s. nächste Wortmeldung von mir; liefere zähneknirschend wissen nach)
Mir scheint, die Redakteure halten sich an die Empfehlungen ihrer Zeitung („Lies was G’scheites“).
Wie sonst kann das Bild mit Bacher bzw der Text dazu übersehen werden?