„Das Kabinett des Dr. Parnassus“: Heath Ledgers würdiger Abgang
„Das Kabinett des Dr. Parnassus“: Realität und Vorstellung, Wahn und Wirklichkeit vermischen sich ununterbrochen in Terry Gilliams psychedelischem Märchen vom 1000 Jahre alten Wandergaukler Doktor Parnassus (Christopher Plummer), der mit seiner heruntergekommenen Schaustellertruppe mitsamt Zauberspiegel durch London tingelt.
„Das Kabinett des Dr. Parnassus“: (FRA/CAN/UK 2009, 122 Min.), Regie: Terry Gilliam (Cineplexx, Megaplex)
OÖN Bewertung:
Realität und Vorstellung, Wahn und Wirklichkeit vermischen sich ununterbrochen in Terry Gilliams psychedelischem Märchen vom 1000 Jahre alten Wandergaukler Doktor Parnassus (Christopher Plummer), der mit seiner heruntergekommenen Schaustellertruppe mitsamt Zauberspiegel durch London tingelt. Wie in einem Fiebertraum flirren die surrealen, visuell betörenden Bilder vorbei. Eine filmische Meditation über den Tod, die Sterblichkeit und das ewige Leben.
Da mutet es wie ein besonders perfider Scherz des Schicksals an, dass Hauptdarsteller Heath Ledger („The Dark Knight“) während der Dreharbeiten im Jänner 2008 durch eine Medikamenten-Überdosis ums Leben kam. Und damit zur ewig jungen, zur unsterblichen Hollywood-Ikone wurde.
Die Story ist eine sehr freie Abwandlung des Goethe‘schen „Faust“-Stoffes: Durch eine Wette mit dem Teufel alias Mr. Nick (herrlich zynisch: Tom Waits) hat Dr. Parnassus einst die Unsterblichkeit gewonnen. Doch alles hat seinen Preis: Im Gegenzug überantwortete er die Seele seiner Tochter Valentina (Lily Cole) mit Erreichen ihres 16. Geburtstages dem Höllenfürst. Besagtes Wiegenfest steht nun in drei Tagen an.
Vielleicht kann ja Lebemann Tony (Heath Ledger), den die illustre Gauklertruppe in letzter Sekunde vor dem Strang rettete, helfen, die unschuldige Seele des Töchterchens zu retten?
Doch nicht nur der gute Doktor versucht den zwielichtigen, aber gewitzten jungen Mann für seine Zwecke zu ködern, auch der teuflische Mr. Nick hat ein Auge auf die Seele Tonys geworfen. „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewusst“, heißt es bei Goethe. Oder etwa doch nicht?
Ausgemergelt und gehetzt
Auch wenn „Dr. Parnassus“ durch sein virtuoses Spiel mit verschiedenen Realitätsebenen und den extremen, beinahe comichaft verzerrten Weitwinkelaufnahmen unverkennbar die filmtechnische Handschrift des Regie-Exzentrikers Terry Gilliam („12 Monkeys“, „Fear and Loathing in Las Vegas“) trägt, bleibt der Film doch in erster Linie als fulminante Abschiedsvorstellung Heath Ledgers in Erinnerung. Ausgemergelt und gehetzt gibt der zu früh Verstorbene brillant den geheimnisvollen Fremden mit zweifelhafter Vergangenheit.
Zum Zeitpunkt von Ledgers Tod waren jene Szenen, die in der Welt hinter dem magischen Zauberspiegel des Doktor Parnassus spielen, noch nicht gänzlich abgedreht. Unentgeltlich übernahmen Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell dessen Part. So perfekt die drei Schauspielkollegen Stimme, Haltung und Gestik Ledgers imitieren, so sehr wird mit Fortdauer des Films die schiere Unmöglichkeit dieses Vorhabens bewusst. „Dr. Parnassus“ lebt, atmet und fasziniert primär durch die Schauspielkunst Heath Ledgers. Eine große letzte Vorstellung. Ein wahrlich würdiger Abgang.