Wenn sie allein Vater-Mutter-Kind spielt, stiehlt dieses Mädchen allen die Show
Onata Aprile, 7, ist das Herz des Familiendramas „Das Glück der großen Dinge“
Wer beobachten kann, wie Eltern ihre Kinder – seiner Meinung nach – schlecht behandeln, steht plötzlich vor einem Dilemma: den Mund aufmachen oder halten, weil es einen ja, wie es so heißt, nichts angeht.
Kippt man in David Siegels und Scott McGehees Film „Das Glück der großen Dinge“ hinein, verschärft sich das Unbehagen sogar noch. Selbst wenn man die alternde Rock-Sängerin Susanna (Julianne Moore) und den desinteressierten Kunsthändler Beale (Steve Coogan) anschreien möchte, weil sie ihre kleine Tochter Maisie (Onata Aprile) zur Gefangenen ihres Scheidungskriegs machen, ist man im Kino verdammt – zum Schweigen.
Und zum Weiterschauen. Dies gelingt, weil der Zuschauer zum schaulustigen Voyeur eines Dramas wird, das in unaufgeregter Beiläufigkeit Grässliches erzählt.
Maisie hört etwa zufällig, wie ihre Mutter den Vater als „Arschloch“ beschimpft. Die zartgliedrige Aprile spielt Maisie mit anmutiger Traurigkeit und wirkt dabei wie ein unzerstörbares Geschöpf, wie eine Blume, die in der Betonwüste der Insel Manhattan wächst. Clever gesetzte Schnitte und Einstellungen unterstützen optisch die gelungene Demontage der Eltern. Moore geht klassisch infantil in ihrer Musik-Welt auf, Coogan verliert sich in Statusdenken und Job.
Wenn sie Maisie ihre Entscheidungen vorbrabbeln, schaut sie schweigend nach oben, sieht aber nicht mehr zu ihnen auf. Vor allem, als ihr soziales Netz immer brüchiger wird, obwohl beide Elternteile neue Partner anschleppen (unscheinbar: Alexander Skarsgård, stark: Joanna Vanderham).
Ihretwegen finden am Ende alle ihren Platz im Leben. Die Adaption von Henry James’ Novelle „What Maisie knew“ (1897) ist daher keine schwache, heutige Parabel auf Selbstverwirklicher, sondern eine Provokation, um familiäre Rollen weiter neu zu hinterfragen.
Das Glück der großen Dinge: USA 2012, 99 Min.
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