Martina Gedeck: "Wenn man lieben darf und geliebt wird, das ist Glück"

Von Ludwig Heinrich   10.Dezember 2016

Der Film "Gleißendes Glück" entstand nach einem Bestseller der schottischen Autorin A. L. Kennedy. Regisseur Sven Taddicken verlegte die Geschichte aus Großbritannien nach Deutschland und holte sich ein fabelhaftes Darstellerteam. Die Frau zwischen zwei Männern ist Martina Gedeck, ihre Partner sind Ulrich Tukur und der Burgschauspieler Johannes Krisch.

 

OÖNachrichten: Die Hauptfigur Helene Brindel kann kaum mehr schlafen. Sie hat den Glauben an Gott und das Glück verloren. Ihr Mann ist gewalttätig, kommt aber bis auf das Finale gar nicht so arg unsympathisch rüber?

Martina Gedeck: Leider wurde ein Satz rausgestrichen. Helene besucht ihre neue Liebe Eduard in Berlin, er fragt: "Wie siehst du aus? Überall blaue Flecken! Du musst zum Arzt!" Darauf sie: "Ich gehe deswegen nie zum Arzt." Dieser kurze Dialog erklärt genau, dass die Gewaltanfälle des Ehemannes regelmäßig erfolgen und nicht nur einzelne "Ausrutscher" sind. Ohne diese Worte, da haben Sie Recht, könnte es zu einer Missinterpretation kommen. Ja, Helenes Mann ist wirklich gewalttätig, doch sie kann sich aus dieser Ehe lange nicht befreien.

Helene ist auf der Suche nach dem Glück, als sie einen Ratgeberautor kennenlernt, der ausgerechnet Eduard E. Gluck heißt und Glücksforscher ist. Sie ist von seinen Theorien fasziniert. Die beiden kommen einander näher, wobei die Frau lernt: Grau, mein Freund, ist alle Theorie. Denn auch Gluck hat seine Ecken und Kanten. Und seine speziellen Neigungen. Glück: Was bedeutet das für Sie, Martina Gedeck?

Lebensfreude. Wenn man sagen kann "Ich bin glücklich", ist das immer ein herausragender Moment. Oder wenn man auf eine glückliche Kindheit verweisen darf, obwohl es auch da Höhen und Tiefen gab. Wenn man lieben darf und geliebt wird, das ist Glück. Wenn man als Kind merkt, dass einen die Eltern lieben. Jeder Mensch trägt ein gewisses Potenzial in sich. Wenn es ihm gelingt, dieses Potenzial eines Tages zu verwirklichen, dann ist er glücklich. Man stellt letztendlich selbst die Weichen zu gewissen Entscheidungen – auch, wenn man dabei manchmal Irrwege geht.

Sie selbst und das Glück?

Zwar sollte ich etwas "Akademisches" machen, erhielt aber relativ schnell die Möglichkeit, das zu verwirklichen, was ich mir gewünscht hatte. Ich geriet ins richtige Fahrwasser und wurde mit meinem Beruf sehr glücklich. Am Anfang stand das Theater, an Film hatte ich überhaupt nicht gedacht. Als sich jedoch diese Möglichkeit ergab, packte ich die Gelegenheit beim Schopf und merkte, dass sich hier eine neue Begabung auftat. Meine Erkenntnis ist: Man versuche, immer etwas Wirkliches zu schaffen, sonst geht man ein. Mein Beruf hat mich voll erfüllt. Ich merke, ich bin daheim.

Wie finden Sie die Figur der Helene im Film?

Ich verstehe sie, mag sie sehr gern. Ich finde sie, nachdem sie anfangs sehr erstarrt wirkt, schlagfertig und lustig. Mir gefällt der Schluss sehr gut. In der ersten Bettszene sieht man nur ihre Augen und hat das Gefühl: Sie ist frei. In der zweiten Bettszene zeigt die Kamera ihr ganzes Gesicht, und da merkt man es noch mehr. Sie hat sich aus dem Schreckensnetz endgültig rauskatapultiert.

 

Filmkritik

Aus dem Mund eines mehrfach ausgezeichneten Schauspielers klingen die Worte "Möse" und "Fickparasit" überraschend derb. Ulrich Tukur stöhnt sie in seiner Rolle als Psychologieprofessor Eduard Gluck förmlich durchs Telefon. Auf der anderen Seite der Leitung: Martina Gedeck als katholische und unglücklich verheiratete Helene Brindel."Gleißendes Glück" ist ein großartiges Stelldichein der beiden Schauspiel-Asse. Unweigerlich werden die Zuschauer mit der Frage konfrontiert: Wie viel Tabubruch ist moralisch erlaubt?"Gleißendes Glück", D 2016, 102 Min. Regie: Sven Taddicken

OÖN Bewertung: