Im Herzen der See: Mit Schlagseite auf der Jagd nach einem dicken Wal
Ron Howards neuer Film über die Ursprünge von "Moby Dick" braucht lange, um ordentlich Fahrt aufzunehmen.
"Wenn ich die Geschichte aufschreibe, fürchte ich, dass sie nicht so gut ist, wie sie es verdient." Das sagt Ben Whishaw als Herman Melville in "Im Herzen der See". Der Brite schlüpfte für Regisseur Ron Howard in die Rolle des bekannten "Moby Dick"-Autors. Aus dessen Perspektive erzählt Howard von jenen Ereignissen im Jahr 1820, die Melville zum Klassiker "Moby Dick" inspiriert haben.
Schade ist bloß, dass es dem Filmemacher und Oscarpreisträger ("A Beautiful Mind", "Apollo 13") wohl an jener Demut gegenüber dem Erzählen gefehlt hat, die er seiner Version von Melville angedeihen ließ. Zumindest, was die erste, sehr lange Hälfte von "Im Herzen der See" betrifft.
Howard verdichtet das Drama um den Untergang der "Essex", den ein Ungetüm von einem Wal in unerforschten Gewässern verursacht haben soll, zu einem Zweikampf.
Chris Hemsworth spielt Owen Chase, erster Offizier des Walfangschiffs, Benjamin Walker den Kapitän, George Pollard. Der Erste ist ein hemdsärmeliger Anpacker, der sich auf der US-Insel Nantucket, damals Zentrum des Walölhandels, als Sohn eines Festlandfarmers hocharbeiten musste. Der Zweite ein Spross einer Walfänger-Dynastie. So vorhersehbar ihr schwelender Konflikt auf See ist, so schwarz-weiß ist er auch gezeichnet. Dazwischen verkommt die an sich archaische Knochenarbeit auf hoher See zum Geplänkel einer Bubenbande hinter Männlichkeitsfassaden. Die detailreichen, düsteren Bilder und die leuchtenden Panorama-Aufnahmen von Anthony Dod Mantle (Kamera) verkommen zu einer Abfolge romantischer Ansichtskarten-Motiven. Hemsworth wirkt schmähstad, wie ein Covermodel eines alten Groschenromans, neben starken Darstellern wie Whishaw, Walker und Brendan Gleeson, der Melville als Zeitzeuge dient.
Erst als sie die Not packt, den angriffslustigen Wal zu töten, entsteht ein würdiges Drama mit großen Überlebensszenen. Angerissene Themen wie Standesdünkel, Kapitalismus, Natur und Mensch werden zusammengeführt in eine die Geschichte tragende Tragödie: zu jagen, was man doch nie fassen und kontrollieren wird. (nb)
Im Herzen der See: USA 2015, 122 Min, R: Ron Howard
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