Geschwister lieben und schlagen sich
Ursula Meiers Film „Winterdieb“ ist ein ausgezeichnet hartes wie zartes Drama.
Als einen „vertikalen Film“ bezeichnete Regisseurin Ursula Meier ihr mit den Silbernen Bären der Berlinale prämiertes Werk „Winterdieb“ („Sister“, „L’ enfant d’en haut“) im Interview mit den OÖN.
Was verwirrend klingt, erklärt sich mit den ersten Szenen ihres Familien-Dramas. Denn das Leben ihres Protagonisten Simon spielt sich, von Meier zart wie klar inszeniert, zwischen der sonnigen Skiwelt oben auf den Bergen und in seinem braunen, grauen, trostlosen Dorf im Tal unten ab. Simon, allumfassend, wunderbar altklug und clever von Kacey Mottet Klein („Gainsbourg“) verkörpert, bestiehlt Touristen, die sich den Luxus Wintersport leisten können, um sich von dem Verkauf ihrer teuren Sportgeräte sein einsames Überleben in einer schäbigen Wohnung leisten zu können. Simon ist ein so guter Herr über sein selbstständiges Leben im Abseits, das schmerzhafte Fragen auftauchen: Wo ist die Gesellschaft? Wo ist die Familie? Plötzlich ist sie da, als seine ältere Schwester Louise auftaucht, in fragiler Überforderung von Léa Seydoux gespielt.
Zusammen schaffen sie nicht bloß, ihre von außen unzureichend wirkende Beziehung zu erhalten, sie lieben sich sogar so innig, dass sie glücklich scheinen – bis sie sich schlagen, weil sie unter der Bürde einer Lebenslüge zusammenbrechen, die sie gemeinsam tragen.
Ursula Meier ist ein wahrhaftiges Werk mit einem offenen Schluss gelungen, über den sich wunderbar diskutieren lässt.
Winterdieb: F/CH 2012, 100 Min. Regie: Ursula Meier
OÖN Bewertung: