„Fahrtwind“ fängt die Magie des Müßiggangs ein
Bernadette Weigels Ost-Doku feiert das Reisen.
Bernadette Weigels Werk „Fahrtwind“ als Reisedoku zu beschreiben, würde ihren Film weit unter seinem Wert verkaufen. Zwar lernt man, wie erwartet, durch Weigels feinen Blick Länder und Städte im Osten Europas wie Georgien, Odessa in der Ukraine oder Baku in Aserbaidschan kennen, aber ihr eigentliches Objekt ist das Reisen selbst.
Denn ganz ohne Dialog teilt sie dem Zuschauer vieles mit – das Entdecken, die Grenzen eigener Erfahrungen und Schönheit der einfachen Dinge. Wie sie eingangs beschreibt, „ist nur mehr ihr Körper ihr Zuhause“, ihre Kamera ist ihr Sucher, mit dem sie mit kindlicher Unschuld kurz zeigt, was im Alltag verborgen bliebe.
Dicht wachsende Halme und Gräser einer Wiese werden zum Gemälde zwischen zartem Weiß, Grau, Braun und Gelb. Gekonnt trennt sie ihre Bilder immer wieder in bis zu drei Teile, deren Farben miteinander spielen: das Meerwasser beispielsweise tiefblau, der Horizont sonnig hell, der Abendhimmel rosa glühend, dazwischen treten Zufallsbekanntschaften, die starren, lächeln und schäkern – wie tanzende Senioren oder eine hilfreiche Ärztin. Dies alles trägt ein Band der Geräusche – Rauschen, Plätschern folgt das Knattern von Maschinen in zitternden Schiffsbäuchen, gebrochen von Stille, die das leise Surren der Apparaturen im Saal bricht. Wer als chronisch beschleunigter Mensch diese ruhige Magie das Müßiggangs in der bei der Grazer Diagonale vierfach ausgezeichneten Doku nicht verträgt, kann die Gedanken schweifen lassen – etwa zur nächsten Reise, die man selbst antreten will. (nb)
Fahrtwind: Ö 2013, 82 Min., Regie: Bernadette Weigel
OÖN Bewertung: