"Die Liebhaberin": Die Reichen und die Nackten

Von Silvia Nagl   02.September 2017

Alles ist geregelt in der Gated Community in Buenos Aires: Hinter hohen Elektrozäunen und bewacht von bewaffneter Security wohnen die Reichen in ihren Villen und lassen diese und die Grünanlagen von Dienstpersonal pflegen.

Eine davon ist Belén, die wortkarg ihre Arbeit erledigt, von der gelangweilten Hausherrin auch nachts zum Plaudern geweckt wird und für den Sohn des Hauses, der zum Tennisstar gedrillt wird, die Tennisbälle aufsammeln darf. Doch alles wird anders, als Belé hinter dem Zaun eine ebenfalls von der Außenwelt abgeschottete Nudisten- und Swinger-Gemeinschaft entdeckt und in ihrer Freizeit Teil davon wird.

Der 1985 in Salzburg geborene, seit Jahren in Buenos Aires lebende Lukas Valenta Rinner machte mit seinem Debütlangfilm "Parabellum" auf sich aufmerksam, der im Wettbewerb des renommierten Filmfestivals Rotterdam und dann auf Dutzenden weiteren Festivals lief.

Ruhig wie ein Gemälde

Nun sein zweiter Langfilm: "Los Decentes", auf Deutsch "Die Anständigen", vom Verleih als "Die Liebhaberin" tituliert und gleich den Preis für den besten österreichischen Spielfilm bei der Diagonale 2017 erhalten. Rinner zeigt viel Gespür für beeindruckend inszenierte Bilder, die er von der Kamera ruhig wie ein Gemälde begleiten lässt. Er behandelt die Film-Figuren, viele davon sind Laien, mit Respekt und Einfühlungsvermögen, den Voyeurismus bedient er nicht. Besonders bemerkenswert ist jener Moment, in dem die ansonsten verkrampft und schüchtern wirkende Belén ihren Zopf löst und mit den dunklen, langen Haaren und ihren Händen Brüste und Scham bedeckt. Sie erinnert an Botticelis Venus. Aber auch Kekse kauen oder eine Tasche einräumen sind es ihm wert, betrachtet zu werden. Die visuelle Komposition beeindruckt oft, könnte sich aber auch zum nervenden Manierismus auswachsen. Iride Mockert als Belén zeigt vor allem mit ihrer Körperlichkeit ihre Wandlung von der depressiv scheinenden Putzfrau zur kämpferischen Revoluzzerin.

"Die Liebhaberin", A/ARG 2016, 105 Min.

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