"Der seidene Faden": Ein Meisterschneider soll seine Seele entblößen
"Der seidene Faden" – Drama mit Daniel Day-Lewis
Poetische Bilder, gebrochene Charaktere und Star-Schauspieler – daraus formt Paul Thomas Anderson ("There Will Be Blood") seine meist hochdekorierten Regiearbeiten.
Dieser Formel folgte der Kalifornier auch bei seinem in der Londoner Modeszene der 1950er eingebetteten Beziehungsdrama "Der seidene Faden". Darin spielt der dreifache Oscarpreisträger Daniel Day-Lewis Meisterschneider Reynolds Woodcock, der in einem von Jugendstil inspirierten Stadthaus residiert. Wie erwartet, hat sich Day-Lewis (60) den Stoffkünstler bis in die akkurat gelegten Haarspitzen nicht nur angeeignet, sondern ist in Brillanz dazu geworden.
Hoffnung und harte Kämpfe
Zu einem in sich gekehrten, peniblen, auf seine Routinen bedachten Junggesellen, einen höchst sensiblen Künstler, der sich den ganzen Tag lang nicht davon erholt, wenn zu "laut" gefrühstückt wird. Dennoch erliegt er einer Irritation.
Der natürlichen, bodenständigen Kellnerin Alma. Einer Frau mit Willen, der es nicht reicht an der Seite von Woodkock in den Dunstkreis von (augenscheinlicher) Kultiviertheit einzutauchen. Alma, die eine einnehmende, Day-Lewis absolut entsprechende Vicky Krieps ("Was hat uns bloß so ruiniert") gibt, fordert Reynolds, seine bis ins kleinste Detail von ihm dirigierte Inszenierung eines Lebens aufzugeben, weil sie letztlich nur seine sensible Seele schützen soll. So spielt "Der seidenen Faden" mit der Hoffnung des Zuschauers auf großes Glück, wie mit seinem Wissen, dass darum hart zu kämpfen ist.
Für sechs Oscars ist "Der seidene Faden" nominiert – u. a. bester Film, bestes Kostüm, beste Regie, bester Hauptdarsteller. Betrachtet man den Film separat in jeder der Kategorien, sind die Nominierungen durchaus berechtigt. Das Gesamtkunstwerk aber verströmt stellenweise dieselbe Aura wie Reynolds Woodcock, eine von lähmender, gar künstlicher Distanz. (nb)
"Der seidene Faden": USA 2017, 130 Min.
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