"Das radikal Böse": Warum Massenmörder menschlich sind
Am 12. Jänner präsentiert der Oscarpreisträger sein neues Werk in der OÖN-Filmnacht. Hier lesen Sie die OÖN-Kritik.
Unter vorgehaltener Hand wird immer wieder mal ein Lamento laut: "Was? Noch ein Beitrag zur NS-Zeit? Können wir mit diesem Kapitel im 21. Jahrhundert nicht endlich abschließen?"
Die Antwort? Ein klares Nein. Denn die Gräuel, die Kriege hervorbringen, sind vielfältig. Und auch wenn es noch so schmerzt, muss jede dieser Grausamkeiten genau betrachtet werden, um ihr Einhalt gebieten zu können.
Wie man eine solche Herausforderung akribisch und zugleich ästhetisch anspruchsvoll bewältigt, zeigt der Wiener Regisseur Stefan Ruzowitzky in seinem neuen Werk "Das radikal Böse". In dem Film, der Dokumentarisches mit Schauspiel verbindet, beschäftigt sich der Oscarpreisträger mit Soldaten, die jüdische Zivilisten exekutiert haben. Seine zentrale Frage: "Wie werden aus ganz normalen jungen Männern Massenmörder?"
Sein Publikum lässt der studierte Historiker auf seiner Suche nach einer Antwort nicht bloß zusehen. Er lässt es teilhaben, in die Seele dieser Männer blicken, aber nicht in ihre wahren Gesichter. Mithilfe von jungen Laien inszeniert er Momente des Soldatenlebens. Sie spielen Fußball, feiern ihre Männlichkeit, betäuben sich später mit Alk und flüchten in den Wald, um Exekutionen nicht zu Ende führen zu müssen. Ihre Pausbacken und Pickel stehen dabei im krassen Gegensatz zu Brutalität und Grotesken, die das NS-Tötungssystem hervorbrachte. Das Innenleben der Männer wird mit Originalbriefen, Notizen und Protokollen greifbar, vorgetragen von Schauspielern wie Benno Fürmann.
Was zu hören ist, lässt aufhorchen, weil es menschlich ist im Vergleich zum populären Bild der seelisch abnormen Tötungsmaschine "Soldat". Sie erzählen von Weinkrämpfen, Erbrechen, Selbstmordversuchen, Feigheit und liefern Zitate wie "Ich bin verbittert, dass wir zu Schweinen geworden sind." Zu hören sind aber auch Passagen, die bloß verstörend sind. "Mach dir keine Sorgen, Heidi. Es muss so sein", erklärt ein Soldat seiner Frau sein Morden.
In solchen Momenten lässt Ruzowitzky Sozialpsychologen, Historiker und Juristen wie Benjamin Ferencz, Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, zu Wort kommen. Sie machen plausibel, wie Individuen in den Strukturen des NS-Systems von Menschen zu Monstern werden konnten – ohne sie von moralischer Schuld freizusprechen. Am Ende sind die Taten nicht verzeihbar. Das Handeln der Täter ist vielleicht einsehbarer und nachvollziehbarer geworden. Fest steht aber auf jeden Fall: Ruzowitzkys Werk ist eine wunderbare filmische Entsprechung einer bedeutenden Aussage des Philosophen Kierkegaard. "Leben kann man das Leben nur vorwärts, verstehen aber nur rückwärts."
Der Trailer
Das radikal Böse: Ö/D, 2014, 94 Min.,S. Ruzowitzky
OÖN Bewertung:
OÖN-Filmnacht: So., 12. 1., 17 Uhr, mit S. Ruzowitzky im Moviemento Linz, Kartenverlosung: nachrichten.at/gewinnspiele
Während bei den OÖN dieser sensationelle Film in einem bescheidenen Rahmen Erwähnung findet, nimmt das Profil© diesen Film zum Anlass, eine Titelstory zum Thema „Wie werden Menschen böse?“ abzudrucken, und mit Ruzowitzky ein inhaltsreiches Interview zu führen.
Ruzowitzky, ein Mann, der den Faschismus in diesem Land genauso zu hassen scheint, wie ich, macht GOTT SEI DANK auch den Mund auf, und geißelt die Entwicklung in Österreich, die in den Jahren 2000-2006 seinen vorläufigen Höhepunkt hatte.
Aber da der österreichische Faschismus ganz tief in den Köpfen zahlloser Poster, wie auch zahlloser Stammtisch-Vollkoffer und zahllosen Bewohnern des Landes fest verankert ist, sehe ich noch lange kein Licht am Ende des faschistischen Tunnels!
Jeder EINZELNE MUSS DAGEGEN kämpfen.
Ein Filmessay von Stefan Ruzowitzky, „Das radikal Böse“ (*), nimmt das Profil zum Anlass, mit dem Oscar-Preisträger ein Interview zu führen.
Einen hochinteressanten Ausschnitt daraus, den ich ALL JENEN ANS HERZ LEGE, DIE SICH NICHT FÜRCHTEN, habe ich euch hier abgebildet:
(*) Er spricht über den vergessenen Holocaust, die systematische Ermordung von etwa zweieinhalb Millionen Menschen in Osteuropa, die aus ihren Häusern geholt, auf Lastwagen verladen, zu ausgehobenen Gruben gebracht und an Ort und Stelle in ihr Grab geschossen wurden: Von SS und Waffen-SS, von einfachen Soldaten der Wehrmacht, von Schutzpolizisten, die zu Friedenszeiten noch den Verkehr geregelt hatten, von ganz normalen jungen Männern, die selbst Familienvater waren und Fotos ihrer Frauen und Kinder im Portemonnaie trugen.
Damit der Text auch über newsbook Eingang ins Internet findet, hier der abgetippte Text:
profil: Glauben Sie, dass so etwas wieder geschehen kann?
Ruzowitzky: Es kann sehr schnell gehen. Als mein Kollege Dieter Berner zur Zeit der schwarzblauen Regierung einen Preis bekam und in seiner Rede eine kritische Bemerkung über die Regierung machte, gab es im Publikum betont wenig Applaus. Ich dachte damals, so fängt es an. Es gibt so viel Konformität und Anpassung. Es beginnt mit Zuschreibungen wie „alle Marokkaner sind Diebe“, oder antisemitische Karikaturen auf der facebook-Seite eines Parteivorsitzenden. Dagegen muss man den Mund aufmachen.
profil: Sie reden von FPÖ-Chef HC Strache.
Ruzowitzky: Natürlich meine ich Herrn Strache. Nicht jede rassitsische Tendenz führt zum Genozid, aber jeder genozid hat mit der Idee angefangen, eine Bevölkerungsgruppe sei aufgrund ihrer Herkunft oder Religion minderwertig.
Ich kann nur alle, die ich erreiche, inständig bitten, die politische Entwicklung in Österreich NICHT zu unterschätzen, NICHT kleinzureden, und NICHT zu übersehen!
Ich appelliere an alle, eure publizistischen Kräfte zu nutzen, gegen das, was in Österreich im Jahr 2000 begonnen hat, aufzustehen und dagegen zu kämpfen!
legts amal a neuere Plattn auf...
..., vor denen dieser Film warnt!
auch wenn du es nicht verstehn willst,
solange ein einziger drecksnazi aktiv ist, muss man dagegen kaempfen!