Noma neu, ein Blick hinter die Kulissen
Das Noma in Kopenhagen wurde viermal zum weltbesten Restaurant gewählt. René Redzepi hat es Mitte Februar nach einem Jahr Pause wieder aufgesperrt. Neuer Standort, bewährtes Konzept.
Es ist ein sonniger Samstag in Kopenhagen. Die Uhrzeiger stehen auf 11.15 Uhr. Bald beginnt das Mittagsgeschäft im Noma, noch ist es angenehm ruhig. Das Personal schart sich um René Redzepi, den kulinarischen Vordenker, der die gastronomische Weltkugel in Richtung Regionalität und Saisonalität gerollt und die nordische Küche in die Champions League der Kulinarik bugsiert hat.
Die Menschen
Redzepi wirkt wie ein Playing Captain im Kreis der Küchenbrigade. Ruhig, bestimmt und fokussiert. Gespielt wird jedoch nicht gegen andere Teams, sondern für die Fans. Und das sind viele. Nachdem das Online-Reservierungsportal geöffnet wurde, war das Restaurant sofort ausgebucht. Tausende stehen auf der Warteliste. Die ganze Welt blickt nach Kopenhagen: Welche Trends werden gesetzt, wohin entwickelt sich Redzepi, werden die hohen Erwartungen erfüllt?
Ein paar Köche schauen müde aus, haben dunkle Ringe unter den Augen. Der Arbeitseinsatz ist enorm und (auch) der Eröffnungswoche geschuldet. Viele beginnen um sechs Uhr in der Früh und hören in der Nacht auf. Das Lokal ist von Mittwoch bis Samstag geöffnet. 50 Gäste werden zu Mittag und 100 am Abend verwöhnt. Dennoch muss beinhart kalkuliert werden. Mindestens 530 Gäste benötigt man in der Woche, um kostendeckend arbeiten zu können. 100 Personen sind im Noma beschäftigt. An den Arbeitszeiten wird noch gefeilt und Redzepi ist sich der Gefahr, im Arbeitsalltag auszubrennen, durchaus bewusst. Er motiviert seine Mitarbeiter und stärkt ihnen den Rücken. "Wir müssen nicht nur unsere Gäste, sondern auch unsere Seelen glücklich machen", pocht er auf Einhaltung der Work-Life-Balance.
Das Restaurant
Die erste Woche ist glücklich verlaufen, und Redzepi wirkt zufrieden. "Es fühlt sich großartig an, sich vorwärts zu bewegen und nicht am gleichen Fleck stehen zu bleiben", sagt er und ist stolz auf das neue Noma. Das Restaurant liegt idyllisch in Christiania am Wasser, 20 Gehminuten vom alten Standort entfernt. Ein großartiges Gebäude, 85 Meter lang mit großzügig gestalteten Aufenthaltsräumen, Räumlichkeiten für fermentierte Lebensmittel und einer Hauptküche, die durch ein Glasdach den Blick auf den Himmel freigibt. Ein weiterer Bau mit Schauküche steht vor der Fertigstellung. Der Speisesaal wurde von dänischen Künstlern designt. Viel Holz und Kerzenlicht geben dem Raum eine behagliche Wärme.
Das Essen
Der kulinarische Fokus gilt drei Jahreszeiten. In der aktuellen Saison bedient man sich der Lebensmittel aus dem Meer, welches von der Crew monatelang nach Essbarem "abgetaucht" wurde. Unzählige Muscheln, Fische und andere Meeresbewohner landeten in den Fängen der Köche. Sie wurden probiert und analysiert. Kuriositäten wie Seegurke oder hundertjährige faustgroße Muscheln gibt es im Menü. Andere Dinge, wie Seesterne, erwiesen sich als ungenießbar.
20 Gerichte aus dem Meer werden aktuell angeboten und sind für Vegetarier wie Fischallergiker ungeeignet. Doch auch die kommen. Allein drei davon in der ersten Woche. Manchmal unangekündigt. Für den reibungslosen Ablauf in der Küche eine Katastrophe. Doch Redzepi und sein Team haben einen Monat lang an Gerichten für Allergiker und Diäthaltende herumgedoktert, um alle zufriedenzustellen. Dennoch appelliert er an die Gäste, lieber im Sommer zu kommen, wenn es ausschließlich Gemüse gibt. Und für Fleischesser bietet die dritte Jahreszeit mit Wild und Pilzen eine köstliche Alternative.
Im Vergleich zu früher nimmt man in den Speisen mehr Cremigkeit, Karamell- und Röstaromen sowie eine gewisse Opulenz wahr. Herausragend der Hauptgang – ein Kopf vom Kabeljau, zerteilt in mundgerechte Stücke. Davor wurde der Fisch mithilfe von Koji mariniert und am Ende etwas gegrillt. Als Dip dienen Ameisen als Zitrusersatz. Das Gericht ist ein Meisterstück, das seinen kongenialen Partner im Wein "Laissez Faire 2009" von Christian Tschida aus Illmitz fand. Eine ungeschwefelte, unfiltrierte Cuvée. Ehrlich, unsagbar gut, authentisch, zukunftsweisend – wie Redzepi und das Noma-Team.