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Mein erster Tag im Häfen

Von Philipp Braun, 07. Jänner 2017, 00:04 Uhr
Bild 1 von 37
Bildergalerie Kochen im Gefängnis
Bild: VOLKER WEIHBOLD

Endstation Gefängnis. Wenn die Strafe hinter Gittern verbracht wird, schmachtet man nicht unbedingt bei Wasser und Brot. Philipp Braun kochte mit den Insassen und weiß mehr. Ein Erfahrungsbericht

Angeklagter, erheben Sie sich, und vernehmen Sie das Urteil im Namen der Republik. Im Sinne der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft werden Sie zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt!"

Bumm, das sitzt. Manch Hartgesottene nehmen den Schuldspruch gefasst entgegen, für andere bricht eine Welt zusammen. Zum Tatzeitpunkt rechnet wohl kein Täter damit, gefasst und danach verurteilt zu werden. Auch die Zeiten, wo man freiwillig ins Gefängnis marschiert, um den harten Wintern zu entgehen und bei Kost und Logis die frostigen Tage hinter schwedischen Gardinen verbringt, gehören der Vergangenheit an. Niemand will bewusst auf einen Teil seines Lebens verzichten und eingesperrt sein und im bedauerlichsten Fall das auch den Rest seines Lebens bleiben.

Schwedische Gardinen

Nicht jedes Gefängnis ist gleich. Je nach Strafrahmen und Schwere des Delikts werden Häftlinge aufgeteilt. Die Haftanstalt Stein-Krems gilt für viele Täter als Endstation. Als letzter Ort, wo die "gefährlichsten Verbrecher" einsitzen, und manchmal lebenslange Freiheitsstrafen verbüßen müssen. In der Justizanstalt Linz, Außenstelle Asten, sind die "Kleinkriminellen" mit einem Strafrahmen von bis zu 18 Monaten untergebracht. Freilich spricht man auch hier nicht von Kavaliersdelikten oder Lausbubenstreichen. Betrug, Drogenhandel oder Nötigung sind nicht zu entschuldigen und werden dementsprechend geahndet.

Während ihres Aufenthaltes sind die Häftlinge in Zweier-Hafträumen untergebracht. Toiletten sind frei zugänglich, Duschen befinden sich außerhalb der Zelle, warme Mahlzeiten gibt es regelmäßig. Der Mythos von Wasser und Brot ist, was er ist. Ein Mythos. Tatsächlich sind "die Strafgefangenen mit einfacher Anstaltskost ausreichend zu verpflegen. Die Kost muss den ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen und schmackhaft sein; sie ist zu den für die Einnahme von Mahlzeiten allgemein üblichen Tageszeiten auszugeben", steht im Strafvollzugsgesetz.

Alltag

Es ist halb sieben in der Früh, frostig und kalt. Volker Weihbold, der OÖN-Fotograf, und ich machen uns von Linz auf den Weg nach Asten. Die Autobahn ist trotz der frühen Morgenstunden stark befahren. Nach fünfzehn Minuten nehmen wir die Abfahrt Asten. Eine Tankstelle, Autohändler, Möbelhäuser und Supermarktketten werten die triste Umgebung nicht sonderlich auf. Hinter dem Wall an Industriegebäuden befindet sich die Justizanstalt. Sie ist unschwer als solche zu erkennen. Ihre hohe Mauern sind mit Stacheldrahtzaun bestückt. Wir läuten an der Klingel und werden eingelassen. Eine Tür geht auf, wir fahren in eine Schleuse, wie man es von italienischen Banken kennt, und halten unser Auto an. Gleichzeitig wird die Türe hinter uns verschlossen. Nach einer Ausweiskontrolle geht das nächste Tor auf. Wir kurven zum Gebäude, wo sich die Küche befindet. Dort werden wir bereits erwartet.

Es ist für uns beide nicht das erste Mal im Gefängnis. Ein Vorgespräch hatte stattgefunden. Vertraulichkeit ist oberste Prämisse. "Die Anonymität der Häftlinge muss gewahrt bleiben, Sicherheitseinrichtungen dürfen nicht fotografiert werden", wurde uns gesagt. Den entsprechenden Text mussten wir beide unterschreiben. Kein Problem, wir wollen nur beim Kochen dabei sein.

Gefängniskost

Die Küche entspricht dem Standard einer Gastronomieküche. Kühlräume, Abwasch, Herd sind sehr großzügig dimensioniert. In Asten greift man auf knackige Lebensmittel aus der eigenen Landwirtschaft zurück. Auf das Glaubensbekenntnis und die kulturellen Gebote wird wie in allen Haftanstalten inn Östereich Rücksicht genommen. Die Menüs sind auf Diabetiker, Veganer und Vegetarier abgestimmt. In Asten werden 170 Portionen täglich frisch gekocht. Für die derzeit 95 Insassen, als auch für die Beamten der Justizanstalt. Der größte Unterschied zu einer herkömmlichen Gastroküche ist das Personal.

Mein erster Tag im Häfen
Für Vegetarier gibt es Reissuppe, überbackene Palatschinken und eine Topfen-Himbeerschnitte. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Sechs bis acht Männer werken täglich in der Küche. "Wenn man Glück hat, sind Menschen inhaftiert, die bereits eine dementsprechende Ausbildung absolviert haben", sagt Donata Bauer. Sie kontrolliert als Küchenchefin die Arbeits- und Kochabläufe in der Haftanstalt. "Es ist aufgrund der begrenzten Aufenthaltsdauer schwierig, eine Routine zu erlangen. Weiters gibt es angesichts mehrerer Nationalitäten Sprachbarrieren", ergänzt die Köchin, die selbst gebürtige Polin ist, und für das Thema entsprechende Sensibilität vorweisen kann. "Am Anfang sagen viele immer automatisch Ja, Ja. Aber die Aufgaben wurden nicht wirklich verstanden. Das bringt nichts. Darum wiederhole ich es gerne immer wieder. Am Ende führt der Aufenthalt, neben dem Spracherwerb, auch zur Ausbildung von handwerklichen Fertigkeiten."

Die Jobs in der Küche sind begehrt. Neben einer sinnvollen Beschäftigung bekommen die Insassen zusätzlich etwas Geld und eine Extraportion an Käse, Milch, Topfenaufstrichen, Wurstwaren, Rohgemüse oder Obst. Das sind die so genannten Kostzubußen, die pro Arbeitstag zwischen 1500 kJ bis maximal 3500 kJ betragen dürfen.

"Die Bruttobezüge sind abhängig von der Arbeit, die ein Insasse verrichtet, und machen zwischen 5,73 Euro und 8,59 Euro aus. Einem Insassen, der in der Küche arbeitet, bleiben nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages und der Arbeitslosenversicherung zirka 300 Euro im Monat. Davon wird jeweils die Hälfte auf das Hausgeld und die Rücklage gebucht. Grundsätzlich bekommt der Strafgefangene bei seiner Entlassung sein Hausgeld, Eigengeld und die Rücklage ausbezahlt", erklär Majorin Iris Hofer, Pressesprecherin der Justizanstalt.

Mein erster Tag im Häfen
Sechs bis acht Personen werken in der Küche. Vom Kochen bis zum Abwasch. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Nicht viel Geld, um wieder Fuß zu fassen, aber immerhin etwas. "Leider wird oftmals das Angebot, eine Fortbildung im Gefängnis zu absolvieren, nicht genutzt. Mangels mathematischer Fertigkeiten, Inkonsequenz oder fehlendem Durchhaltevermögen", sagt Frau Hofer.

Von Lethargie merkt man in der Küche wenig. Jeder hat seine zugeteilten Aufgaben, die schnell und gewissenhaft erledigt werden. In einem Raum wird Gemüse geschnipselt, in einem anderen abgewaschen, ein Insasse kümmert sich ums Fleisch, ein anderer bereitet den Nockerlteig vor. Donata Bauer, die vor dem Gefängnisjob in der Generali Linz am Stifterplatz gekocht hat, ist resolut, dabei aber immer freundlich und verständnisvoll.

Ich werde zum Nockerlschaben eingeteilt. An meiner Seite Maurizio (Name von der Redaktion geändert), ein durchtrainiertes Schwergewicht mit muskulösen Armen, die, so scheint es, Gitterstangen biegen könnten. Sein Oberarme sind stark tätowiert, aber allgemein bekannte Gefängnissymbole wie drei Punkte auf der Hand zwischen Daumen und Zeigefinger (Ehrenkodex unter Häftlingen), Träne(n) unter dem Auge (Trauer oder Aufenthaltsdauer) oder Schlange um den Hals (Drogenabhängigkeit) kann ich nicht erkennen. "So etwas wird nicht mehr gemacht", erklärt Gerhard Niederreiter, Küchenleiter von Asten. "Zum einen ist aufgrund der Infektionsgefahr Tätowieren in der Haftanstalt strengstens untersagt, zum anderen sind Tatoos nicht mehr so außergewöhnlich. Die kann man sich ja überall stechen lassen."

Mein erster Tag im Häfen
Donata Bauer ist die Küchenchefin, koordiniert die Abläufe in der Küche und gibt den Takt vor. Bild: VOLKER WEIHBOLD

Menschen

Maurizio hat sich die Symbole bereits vor seinem Haftantritt in die Haut ritzen lassen. Er ist das erste Mal hier. Acht Monate wurden ihm für Schlepperei aufgebrummt. Das Muskelpaket ist sicher nicht der Boss eines international agierenden Schleppernetzwerks. Bauernopfer trifft es wahrscheinlich eher. Eines von vielen, welches in den Wirtshäusern vor Ort angesprochen, und mit Geld zur Straftat überredet wird. Maurizio hat sich mit der Haftstrafe abgefunden. Es hilft nichts. Ob er seinen Job als Lkw-Fahrer wieder bekommen wird, ist fraglich.

Maurizio redet nicht viel. Und wenn, spricht er nur gebrochen Deutsch. Aber er ist sehr hilfsbereit. Seine Hände, groß wie Schaufeln, zeigen mir, wie der Teig auf die Hobel gepackt und in langsamen Bewegungen nach vorne und hinten durchgepresst wird. Für kurze Zeit werden die Nockerl im heißem Wasser gekocht, bevor sie von der Wasseroberfläche geschöpft und ins nächste Wasserbecken abgeseiht werden. Maurizio bekommt Lob von Donata. "Er stellt sich sehr geschickt an und macht bereits nach dem ersten Mal alles richtig. Er gibt sein Wissen an die anderen Insassen weiter und vermittelt ihnen das Handwerk."

Auch mich unterstützt Maurizio. Er zeigt mir, wie man die Nockerl abseihen und ins Wasser gleiten lassen soll. Die kräftigen Arme machen feine und zarte Bewegungen, wie man es kaum vermuten würde. Maurizio zieht auch den Strudelteig so mit Fingerspitzengefühl aus, dass eine Zeitung durchschimmern würde. Neben uns stehen Markus und Achmed und braten Schnitzel mit Zwiebeln an. Markus ist Mitte fünfzig, mit graumelierten, kurz geschnittenen Haaren und mit einem gütigen Blick. Er wirkt sehr gebildet, wenn er spricht und erklärt mir, dass er früher studiert habe. Zusätzlich zu seiner Kochausbildung, die ihm jetzt und den anderen Häftlingen zugute kommt.

Meth

Markus war die vergangenen zwanzig Jahre im Ausland, arbeitet aktuell in einem Hotel, und ist aufgrund eines nicht verjährten Delikts zurück nach Österreich gekommen. "Ich will das erledigt haben. Sechs Monate muss ich hier verbringen. Das geht schnell vorbei." Ist es für ihn das erste Mal? "Nein, mit 19 musste ich aufgrund einer Rauferei ins Gefängnis." Markus agiert besonnen und aufmerksam an den Pfannen. Er hilft Achmed, der um einiges jünger ist als er. Achmed isst aufgrund seiner Religionszugehörigkeit kein Schweinefleisch. Chrystal Meth hingegen hat er schon probiert. "Vor sechs Jahren. Einmal hat gereicht, und ich war abhängig. Nach und nach habe ich zum Handeln begonnen. Man bekommt das Zeug leicht aus dem Ausland." Dann wurde er erwischt – mit einem halben Kilo. "Bist du clean", frage ich ihn. Achmed nickt. "Seit einem halben Jahr. Und ich hoffe, dass ich es auch bleibe, wenn ich wieder rauskomme. Leider gibt es dafür keine Garantie."

Viele der Häftlinge kommen wieder zurück. Das soziale Auffangnetz nach der Entlassung ist löchrig, Familien und Freunde verabschieden sich schneller als man denkt. Zudem ist die Versuchung, schnell zu Geld zu kommen, verlockend. Dabei wäre sinnvolle Beschäftigung, gute Wiedereingliederung und gesellschaftliche Akzeptanz für viele Häftlinge genauso wichtig, wie der tägliche Bissen Brot.

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8  Kommentare
8  Kommentare
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Gugelbua (31.807 Kommentare)
am 08.01.2017 13:54

gelungene Werbung, mal ehrlich- wen schreckt so ein bisschen Gefängnis noch ab ? grinsen
warme Stube versichert und Vollverpflegung.
Kannte einen (Linzer) der sehr wenig in einem Arbeitsverhältnis stand weil er die meiste Zeit im Häfn war. In der wohl verdienten (abgesessenen) Pension wurde er vom Saulus zum Paulus grinsen

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PhilippBraunOOEN (161 Kommentare)
am 08.01.2017 15:09

Hallo Gugelbua,
Seien wir froh, dass wir keine anderen Zustände im Gefängnis haben. Dennoch möchte ich anmerken, dass ein Haftaufenthalt alles andere als lustig und entspannend ist. Ich kenne einige, die kurz, aber auch lang im "Häfen gesessen" sind. Und bei allen spürte ich eine gewisse Veränderung....
Liebe Grüße
Philipp Braun

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Gugelbua (31.807 Kommentare)
am 08.01.2017 15:27

@PhilippBraunOOEN
Danke für die Grüße grinsen
nun bei uns sind Haftanstalten so seis gedankt bis auf wenige veraltete Ausnahmen sehr human.
hab schon Gefängnisse besucht, Marokko zum Beispiel 4 hohe Mauern umgeben einen Platz ohne Dach die Insassen bekommen eine Decke eine Mahlzeit pro Tag für die ist unser Strafvollzug das Paradies auf Erden oder in Tunesien wo Gefängnisse zum Teil noch aus der Römerzeit sind, darum sind auch unsere Strafen keine Abschreckung für straffällige Zuwanderer, im Gegenteil.

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alleswisser (18.463 Kommentare)
am 07.01.2017 19:05

Sehr gelungene Fotos!

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laskpedro (3.328 Kommentare)
am 07.01.2017 16:45

nobel , nobel ..respekt...

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scharfer (5.103 Kommentare)
am 07.01.2017 16:09

deshalb sind so viele im hefn.

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Katzenkoerberl (1.838 Kommentare)
am 07.01.2017 16:06

... bon Appetit

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watchmylips (1.022 Kommentare)
am 07.01.2017 14:47

Guten Appetit ! Bin echt hungrig geworden beim Lesen. Habt Ihr auch take-away?

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