Großes Kino aus Italien

Von Thomas Arnoldner   14.November 2017

Jetzt steh ich hier vor Jochen Rindt, neben ihm Jackie Stewart, ein paar Meter weiter Ayrton Senna. Und oben wartet Giulia. Die wunderbare Giulia, sagen sie bei Alfa Romeo. Mit ihr haben die Italiener endlich wieder eine Schönheit geformt, die nicht nur optisch glänzt, sondern auch mit ihren inneren Werten in der oberen Liga spielt. Abseits und auf der Rennstrecke. In diesem Fall auf dem Red-Bull-Ring in Spielberg.

Den „Walk of Legends“, in dem sie den Helden der Formel 1 ein Andenken gesetzt haben, habe ich hinter mir, nun sitze ich beim Briefing, um auf die Rennstrecke und die Alfa-Modelle vorbereitet zu werden, die draußen im Trockenen stehen. Gott sei Dank im Trockenen, der Regen sollte erst nach mir eintreffen.

Das Herz kommt von Ferrari

Es warten: die Giulia Veloce, also die (noch) sportlichere Variante der Giulia. Der Stelvio, das erste SUV in der Geschichte von Alfa Romeo, das derselbe Motor antreibt wie die Giulia Veloce. Und die Giulia Quadrifoglio, die kürzeste Verbindung zwischen Alfa Romeo und Ferrari. 510 PS, 600 Newtonmeter Drehmoment, ein V6 Biturbo mit Grüßen aus Maranello, Heckantrieb mit Muskeln wie Schwarzenegger, aber drinnen keine steirische Eiche, sondern Alu und Karbon kombiniert mit feinem Leder. Dazu allerlei Assistenzsysteme, die den Fahrer beschützen, wenn ihm Ehrgeiz und Emozione gar zu heftig in den Gasfuß fahren. 307 steht als Zahl bei der Höchstgeschwindigkeit. Fast beiläufig. 307. Versteckt in einem eleganten Cocktailkleid. Kein Muskelshirt. Wer hat, der hat. Protzen war gestern.

Jede Giulia, nicht nur die Topversion, ist ganz Alfa Romeo und kein halber Kompromiss – mit einer neuen Plattform, die Giorgio heißt. Alfa hat in Giorgio sehr, sehr viel Geld und Arbeit investiert, um aus Giulia und ihm ein ideales Paar zu machen. Vorweg: Operation gelungen, Patient klebt auf dem Asphalt, da hat man keinen Augenblick das Gefühl, Rennstrecke sei dann doch etwas vermessen.

Dazu neu entwickelte Motoren, Turbodiesel von 136 bis 210 PS sowie Benzin-Modelle mit 200 und 280 PS. Wahlweise mit manuellem Sechsganggetriebe oder der ZF-Achtgang-Automatik. Noch heuer bringt Alfa den Stelvio in der Quadrifoglio-Version auf den Markt. Mit ihr erklärt sich wahrscheinlich am besten, in welcher Reihe die Italiener mit diesem höhergestellten, geräumigeren und größeren Bruder von Giulia stehen wollen. In der ersten. Auf dem Nürburgring hat der Stelvio Quadrifoglio die Artverwandten auf Anhieb verblasen und darf sich schnellstes SUV der Welt nennen. Das sehen sie gerne bei der Scuderia, obwohl dies nur eine Seite der Medaille ist, denn: Giulia und Stelvio verzeihen. Sie haben mich, alles andere als Rennfahrer, komfortabel und sicher über die Runden gebracht. Keine Ausreißer, keine brenzlige Situation. Über den Vortrieb müssen wir ohnehin nicht diskutieren. In 5,7 Sekunden von 0 auf 100, und das in einem SUV, das ja grundsätzlich auch für Familientransport, ein bisschen Gelände usw. ausgelegt ist, das spricht Bände. Aber der Stelvio kommt selbst bei hoher Geschwindigkeit in engen Kurven nicht ins Schwimmen, er nimmt sie mit Leichtigkeit und Präzision. SUV hin oder her.

Sitzt wie ein Maßanzug

Die Sitze passen wie ein Maßanzug, und wenn man am Ende nun doch ein Haar in der Suppe finden möchte: Der Blick in den Rückspiegel erfasst nur das Nötigste. Das Breitbild haben die Italiener Sergio Leone überlassen, auch hier ist das SUV eher Coupé. Aber nein, auch das ist eigentlich keine Kritik. Alfa-Freunde werden einwenden, dass man ohnehin nur zurückschaut, wenn man in der glorreichen Vergangenheit blättert. Für die Gegenwart gilt: Giulia und Stelvio sind großes italienisches Kino.

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Ein SUV, ja, aber eines in Rennhocke: der Alfa Stelvio

Die flotte Giulia und ihr sportlicher Bruder

Giulia – die Limousine: Unterwegs waren wir in Spielberg mit der Giulia Veloce, übersetzt die „schnelle Giulia“. Der Limousine packten die Italiener einen Zweiliter-Benziner mit 280 PS unter die Haube. Die Achtgang-Automatik von ZF treibt die Pferde geschmeidig in 5,2 Sekunden von 0 auf 100, zu galoppieren hören sie erst bei 240
km/h auf. Dieses Modell (ab 49.190 Euro) kommt nicht nur optisch mit einer zusätzlichen Prise Sportlichkeit daher, es ist auch sehr üppig ausgestattet, unter anderem mit Allradantrieb. Die Basisversion der Giulia gibt’s ab 33.990 Euro.

Stelvio – das SUV: Der Stelvio ist nach dem Passo dello Stelvio benannt, dem Stilfser Joch. Man könnte aber genauso gut die Pista Stelvio, die Abfahrtsstrecke in Bormio, hernehmen. Alfas erstes SUV kommt nicht aufrecht daher, es bevorzugt die Rennhocke. Tiefer Schwerpunkt, ein Q4-Allradsystem, das den Stelvio bei normalen Verhältnissen zum Hecktriebler macht und bei Bedarf bis zu 50 Prozent der Kraft nach vorne leitet – der Wagen liebt die Kurve ebenso wie die Schussfahrt. Preislich geht’s bei 42.450 Euro los, das Testfahrzeug (280-PS-Benziner) lag bei 64.990 Euro.