Sprungspinne als Vorbild für transparenten Bildsensor
LINZ. Weltneuheit an der JKU als Basis für neue Touchscreens
Erst 2013 haben Professor Oliver Bimber und Alexander Koppelhuber vom Institut für Computergrafik an der Johannes Kepler Universität (JKU) eine Weltneuheit präsentiert: Den ersten biegbaren und völlig transparenten Bildsensor. Nun haben die beiden Linzer Forscher in Kooperation mit Microsoft Research noch einen Durchbruch draufgesetzt: Mit dem Bildsensor kann man nun sogar die Tiefe von Objekten berechnen. Auf die Sprünge geholfen hat den JKU-Forschern ein Vorbild aus der Natur: die Sprungspinne.
Sprungspinnen haben eine interessante Eigenschaft: Sie haben einen statischen Fokus. Während im menschlichen Auge der Fokus je nach Distanz zum Objekt eingestellt wird, entstehen bei den Sprungspinnen je nach Entfernung Unschärfe auf der Netzhaut. Die Tiere ermitteln nun einfach die Distanz aus dem Grad der Unschärfe – und sind so extrem erfolgreiche Jäger. "Dieses Prinzip der Tiefenwahrnehmung haben wir übernommen", erklärt Bimber.
Multifunktions-Folie
Die Multitalent-Folien sind damit um eine Facette reicher. Im Prinzip handelt es sich um eine durchsichtige Folie, die mit fluoreszierenden Partikeln dotiert ist. Sie absorbiert Licht einer bestimmten Wellenlänge, das dann in geringerer Frequenz wieder abgegeben und an den Rand der Folie transportiert wird. Mit Photosensoren und einem speziellen optischen Trick können die Lichtanteile gemessen werden, die den Folienrand an jeder Stelle und aus jeder Richtung erreichen.
Bei den vermessenen Daten handelt es sich um ein zweidimensionales Lichtfeld, welches innerhalb der Folie transportiert wird. Ähnlich wie bei der Computer-Tomografie kann aus diesen Daten das Bild – und nun auch die Tiefe – des aufgenommenen Objektes rekonstruiert werden. Dies ist möglich, weil die neu entwickelte Folie ganz ohne Linsen ihren Fokusabstand senkrecht zur Filmoberfläche verschieben kann. Aus diesen Fokusinformationen wird anschließend die Tiefe errechnet.
"Unsere Technik bietet aber noch eine Neuheit: Sie ermöglicht eine multifokale Aufnahme", sagt Bimber. Das bedeutet, dass ohne Linsen viele Bilder mit unterschiedlichem Fokus gleichzeitig erzeugt werden können. Das ermöglicht unter anderem eine neue Generation von Touchscreens – sie wird man in Zukunft gar nicht mehr berühren müssen.
Um eine solche revolutionäre Neuheit zu entwickeln, wurde das Know-how vieler Fachbereiche zusammengeführt. "Da spielen viele Disziplinen hinein, Mathematik ebenso wie Materialwissenschaften, Informatik und Naturwissenschaften", betont Bimber den interdisziplinären Ansatz.
Anwendungsgebiete
Der Sensor ist vor allem für neue Benutzerschnittstellen interessant. Neben linsenlosen Kameras könnten die Folien aber auch bei "smart skins" Anwendung finden, was Robotern helfen könnte, selbständiger mit Menschen zu inter-agieren. "Es wäre zudem möglich, beliebige Objekte, wie die Windschutzscheibe eines Autos, in einen Bildsensor zu verwandeln", sagt Bimber. Und sogar spielfreudige Menschen könnten profitieren: Auch für 3D-Sensorik, wie sie z.B. im Kinect-System der X-Box verwendet wird, könnte die neue Technik Anwendungsmöglichkeiten bereithalten.