Wie Schichtarbeit leichter erträglich wird
LINZ. Längere Freizeitblöcke, weniger Wochenstunden bei gleichzeitig ausgedehnter Betriebszeit von Anlagen.
Industrie, Tourismus, Gesundheitsberufe. In vielen Bereichen sind Schicht- und Turnusdienste Alltag. Fast jeder fünfte Arbeitnehmer ist in Schicht-, Turnus- oder Wechseldiensten tätig. Das waren 2015 laut Statistik Austria fast 700.000 Arbeitnehmer in Österreich. Dieser Anteil ist in den vergangenen zehn Jahren doppelt so stark gewachsen wie die Beschäftigung insgesamt.
In einer Veranstaltung im Rahmen des Netzwerks "Wage – Älter werden, Zukunft haben", wird Schichtarbeit im Herbst in Oberösterreich thematisiert. Zig Modelle werden in Oberösterreich praktiziert. Wir zeigen zwei Beispiele.
Nach langen Jahren Schichtdienst mit Nachteinsatz treten gesundheitliche Probleme auf. "Schlafprobleme, Gereiztheit, die zu Problemen in der Familie führen. Das Gefühl der sozialen Ausgeschlossenheit, weil man kaum in Vereinen aktiv mitwirken kann", zählt Christian Kempinger, Betriebsratsvorsitzender in der Borealis Agrolinz, auf. Das Fünf-Schicht-Modell habe nachweislich geholfen, diese negativen Begleiterscheinungen zu reduzieren.
Borealis Agrolinz hat 2001 begonnen (siehe Kasten). 400 Arbeiter und 100 Angestellte arbeiten 35 Stunden pro Woche statt 42. Teilweisen Lohnausgleich gibt es für diejenigen, die die alten Version noch selbst ausübten.
Vor allem die längeren Freizeitblöcke übers Wochenende würde die Belegschaft schätzen. Das bestätigt Thomas Fuschl, Personalleiter Zentraleuropa im Unternehmen: "Die längeren Freizeitphasen federn die Belastung ab." Der Personalchef sieht dieses Modell auch attraktiv auf dem Arbeitsmarkt: "Die besten Köpfe gehen dorthin, wo ihnen die besten Rahmenbedingungen geboten werden."
Samstag gegen Lohnausgleich
Bei Weber Hydraulik in Losenstein konnte die Betriebslaufzeit mit einem 18-Schicht-Modell ausgedehnt werden (Beschreibung siehe Kasten). Die Belegschaft arbeitet kürzer, bei vollem Lohnausgleich – allerdings auch an drei von vier Samstagen. Werksleiter Manfred Reiter argumentiert, mit dem Modell – das nur bei hoher Auslastung zum Einsatz kommt – könne die Betriebslaufzeit bei den Engpass-Maschinen maximal ausgedehnt werden.
Betriebsratsvorsitzender Franz Damhofer sagt, dass vielen Kollegen Samstagsarbeit unangenehm sei. Unterm Strich sei es aber eine Win-Win-Situation für alle.
Die Arbeitswissenschaft empfiehlt: Zusammenhängende freie Tage statt einzelner freier Tage, kurze Rotationen, also nur zwei oder drei Tage in Folge eine Schicht, kürzere Nachtschichten.
Fünf-Schicht-Modell bei Agrolinz
Eine sehr lange Erfahrung mit alternativen Schichtmodellen hat Borealis Agrolinz. Ab 2001 wurde nach einem Pilotprojekt statt Vier- ein Fünf-Schicht-Modell eingeführt. Dabei wird die Monatsarbeitszeit von 168 Stunden in einem rund um die Uhr laufenden Betrieb nicht auf vier, sondern auf fünf Menschen aufgeteilt. Die Arbeitszeit sinkt von 42 auf 35,2 Stunden, weil einige Tage hereingearbeitet werden. Die Tagesarbeitszeit (sechs bis 14, 14 bis 22 und 22 bis sechs Uhr) bleibt gleich. Die Freizeitblöcke sind aber länger, rund um zwei Wochenenden im Monat sind vier Tage frei. Für die, die schon im alten Schichtmodell gearbeitet haben, gibt es teilweisen Lohnausgleich, für die Neustarter gibt es das nicht.
18-Schicht-Modell bei Weber Hydraulik
Seit dem Krisenjahr 2008 gibt es bei dem Industriebetrieb in Losenstein die Möglichkeit, das herkömmliche Schichtmodell (Wochenarbeitszeit Sonntag 23 bis Samstag 6 Uhr) auf ein 18-Schicht-Modell (Wochenarbeit Sonntag 23 Uhr bis Samstag 22 Uhr) umzustellen und damit die Maschinenlaufzeit zu verlängern. In der theoretischen 19. Schicht würden bis Sonntagfrüh die Anlagen laufen, diese wird kaum gebraucht. Mehrere Monate im Jahr gilt das 18-Schicht-Modell. Das bedeutet für den betroffenen Teil der Belegschaft eine Wochenarbeitszeit von 33,5 Stunden bei vollem Lohnausgleich, allerdings ist an drei von vier Samstagen zu arbeiten. Dafür sind die Freizeitblöcke länger.