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Grimmige Gesellen und bemalte Gruften

Von Natascha Thoma, 19. April 2014, 00:04 Uhr
Grimmige Gesellen und bemalte Gruften
Liebevoll wird der Madonna das Gesicht gewaschen. Bild: Isa Ducke

Steinfiguren und Grabhöhlen im Süden Kolumbiens zeugen von einer längst vergangenen Kultur. Die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Anlage zieht Touristen aus aller Welt an.

Die knapp einen Meter große Steinfigur bleckt vier mächtige Vampirzähne, den Mund zu einem teuflischen Grinsen verzogen. In den Händen hält der Grobian zwei Keulen, sein Geschlechtsteil ist mit einer Schnur nach oben gebunden. Seine Begleiter links und rechts wirken nicht freundlicher. Die drei grimmigen Gesellen stehen auf der Mesita A – im Süden Kolumbiens. Es ist eine der ersten Figurengruppen, die in San Agustín Ende des 19. Jahrhunderts ausgegraben wurden.

Doch ob die Figuren, die auf zahlreichen Hügelkuppen in und um San Agustín stehen, auf Rituale verweisen, oder ob sie nur Grabräuber abschrecken sollten, darüber rätseln die Archäologen immer noch. Einig ist man sich beim Entstehungsdatum: Die ältesten stammen aus dem 3. Jh. v. Chr. "Schon als die Spanier im 16. Jahrhundert kamen, wussten die damals hier lebenden Stämme nicht mehr, wofür die Figuren gut waren", erklärt uns der Schweizer Rene Suter, der in San Agustín das kleine Öko-Gästehaus El Maco betreibt.

Der Geländewagen schlängelt sich auf Serpentinen immer tiefer in die grasgrüne Schlucht hinunter. Weit unten ist der Rio Magdalena zu sehen, mit 1500 Kilometern der längste Fluss Kolumbiens. Gleich hinter der wackligen Brücke halten wir am Estrecho del Magdalena. Am Berghang wischt ein Mann einer lebensgroßen Madonnenstatue liebevoll mit einem Tuch das Gesicht sauber. Während wir sinnieren, wie Kajakfahrer den tosenden Strudel kategorisieren würden, hupt der Fahrer zur Weiterfahrt. Denn nicht alle Sehenswürdigkeiten sind wie die Mesita A vom Dorf aus zu Fuß zu erreichen, und so haben wir ein Auto gemietet, um die weiter außerhalb gelegenen Statuen zu besichtigen. Auch in Obando gibt es Schacht- und Megalithgräber, mit Sarkophagen innen und grimmigen Figuren außen. An den Skulpturen im Park Alto de los Idolos sind teilweise noch rote und blaue Bemalungen zu erkennen.

"San Agustín ist seit vielen Jahren ein ganz sicheres Reiseziel", zerstreut Rene etwaige Sicherheitsbedenken. "Seit die Straße nach Bogotá so gut ausgebaut ist, können Reisende in wenigen Stunden das Weltkulturerbe erreichen", sagt Rene.

Im weitläufigen Archäologischen Park nicht weit vom Gästehaus El Maco erzählt Regine von ihrem ausgefeilten Reiseplan, der es ihr ermöglicht, in zwei Wochen ganz Kolumbien zu sehen: "Ich bin heute früh mit dem Nachtbus aus Bogotá gekommen, und morgen geht es mit dem Nachtbus weiter."

Die Steinfiguren, die verstreut im Urwald stehen, blicken über derlei Hektik stoisch hinweg. Manche wirken ganz niedlich – wenn sie nur nicht diese Hauer hätten… Nur Tierradentro, ebenfalls Weltkulturerbe, passte nicht in Regines Nachtbus-Route. Zu abgelegen sind die in Fels gehauenen Gräber, nur durch enge Gebirgstäler zu erreichen.

Der Fahrer hat es eilig

Hoch über dem Tal des Rio Magdalena fährt der Kleinbus nach Norden. An den steilen Hängen wachsen Bananen und Zuckerrohr, einige Kaffeeplantagen benutzen Maracuja-Spaliere als Schattenbäume. Bald wird die Landschaft karger, die Straße schlechter. Eingequetscht zwischen sechs Erwachsenen, einem Kleinkind und einem Hahn werden wir auf der überdachten Ladefläche eines Pritschenwagens durchgeschüttelt. Der Fahrer hat es eilig.

Alpine Bergwiesen und felsige Gipfel rasen vorbei. Das Dorf San Andres besteht aus einer strohgedeckten Kirche, ein paar Straßen und einer Handvoll Häusern. Nur ein weiterer Tourist ist in der einzigen Herberge abgestiegen. Aus dem geschützten Talkessel, in dem das Dorf liegt, führt ein steiler Weg zwischen ein paar Kleinbauernhöfen hinauf bis auf den Grat des Aguacate, auf über 2000 Meter. Hier eröffnet sich ein grandioser Blick über die Berglandschaft – und auf einige große schwarze Löcher im Boden, direkt oben auf dem Grat. Es sind Eingänge zu Grabhöhlen aus dem 10. bis 12. Jh. Alle wurden im Laufe der Zeit geplündert. Heute sind manche nur noch überschwemmte Gruben, in andere kann man hineinklettern, wird mit Entdecker-Feeling und spärlichen Wanddekorationen belohnt, die auch im funzeligen Schein der Taschenlampe nur schwer zu erkennen sind: ein farbiger Kreis, ein waagerechtes rotes Band. Die Grabhöhlen, so erklärt das kleine Museum, wurden nur für die Zweitbestattung von Knochen und Asche benutzt, vorher begrub man die Leichen für einige Jahre in der Erde. Für alle Urnen der Familie gab es dann ein gemeinsames, aufwändig geschmücktes Schachtgrab.

Segovia auf einem kleinen Plateau am Hang ist mit über 30 farbig ausgemalten und bis zu sechs Meter tiefen Schachtgräbern die bedeutendste Fundstätte von Tierradentro. Langsam gewöhnen sich unsere Augen an das Dunkel, erkennen an den Wänden geometrische Muster aus schwarzen, weißen und roten Linien, die in den spärlich beleuchteten Grabhöhlen Bilder von beklemmenden Ritualen heraufbeschwören. Von den Pfeilern blicken stilisierte Gesichter herab. Und die Masken der Ahnen sehen uns noch nach, als wir wieder die halbmeterhohen Stufen hinaufklettern, ans Tageslicht.

Wissenswertes

Spanisch ist Nationalsprache in Kolumbien. Das Spanisch in Bogotá ist nach Aussage der Spanischen Real Academia (maßgebliche Institution für die Pflege der spanischen Sprache) das reinste Spanisch überhaupt.

Anreise: Von Bogotá mit dem Bus nach Pitalito. Zwischen Pitalito und San Agustín und zwischen San Agustín und Tierradentro verkehren Sammeltaxis.

Unterkunft: Finca El Maco in San Agustín. Eine Hütte kostet ab 32 US-Dollar pro Nacht (2 Personen). Im kleinen Restaurant wird mit Bioprodukten aus eigenem Anbau gekocht.
elmaco.ch

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