Trotz florierender Industrie ist Arbeitslosigkeit in Steyr sehr hoch
LINZ. Metallbetriebe zahlen gut, schlecht qualifizierte Arbeitslose warten lieber auf Job bei BMW, SKF, MAN & Co, statt auszupendeln.
Die Ausgangslage ärgert die Vertreter der Arbeitgeber im Arbeitsmarktdirektorium in Oberösterreich seit Jahren: In der Region mit der größten industriellen Dichte von ganz Österreich, in Steyr, ist die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch wie im gesamten Bundesland. In Zahlen für 2016: 13,7 Prozent Arbeitslosenquote in der Stadt Steyr, 6,1 Prozent in Oberösterreich.
Die extreme Abweichung fällt in den Standard-Auswertungen nicht auf, weil Steyr-Stadt und Steyr-Land mit 8,9 Prozent Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2016 gemeinsam ausgewiesen werden. Charakteristisch für Steyr sind laut Herwig Schneider vom industriewissenschaftlichen Institut ein viel höherer Anteil an Langzeitarbeitslosen (2016: 21 Prozent in Steyr zu 12 Prozent im Landesdurchschnitt) und viel mehr Hilfsarbeiter. 58 Prozent der Arbeitslosen in Steyr haben maximal die Pflichtschule absolviert, in Oberösterreich 48 Prozent. Und zwei Auffälligkeiten: Der Anteil der Personalleasing-Branche ist mit neun Prozent der Erwerbstätigen dreimal so hoch wie im Rest des Bundeslandes. Der Wille, weiter zu pendeln, ist gering.
Die Ausgangslage ist gleichzeitig auch die Erklärung: Weil die Industriedichte so hoch ist, ist die Chance, bei BMW, SKF, MAN & Co einen vergleichsweise gut dotierten Anlernjob zu bekommen, selbst für Schulabbrecher intakt. Ihre schwankende Auftragslage federn die Industriebetriebe über das Leasingpersonal ab. Bei einem Auftragsloch müssen diese gehen. Von ihrem Überlasser bekommen sie eine mehr oder weniger verbindliche Wiedereinstellzusage.
Arbeitslose plus Pfusch
Diese Perspektive – verbunden mit ein wenig Pfusch und eventuell einem geringfügigen Job für wenige Stunden pro Woche – sei für viele attraktiv: "Da bleibt netto das, was einer für einen Acht-Stunden-Arbeitstag verdient", kritisiert die Vertreterin der Wirtschaftskammer im AMS, Ursula Krepp. Sie fordert verstärkte Prüfungen der Finanz und ein Verbot für Zusatzverdienst für Arbeitslose. Joachim Haindl-Grutsch, Geschäftsführer der oö. Industriellenvereinigung, stößt ins gleiche Horn: "Wir brauchen Vermittlungsfähigkeit und Vermittlungswilligkeit."
AMS-Chef Gerhard Strasser sagt, sein Haus habe auf die Studie bereits reagiert. Es sei an vielen Rädchen zu drehen. Verstärkt würde Qualifizierungen in Richtung Lehrabschluss angeboten. Das AMS fördere auch interne Ausbildungen in Betrieben abseits der Metallbranche. Denn die kleinen und mittleren Betriebe in der Region kämpfen ständig gegen Abwanderung in die Industrie. Daher sei dort der Wille, auszubilden, sinkend.
Was das AMS im Umgang mit Jobsuchenden verändert, lesen Sie auf www.nachrichten.at/steyr
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