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"Krieg um die Desinformation"

Von Jutta Sommerbauer, 21. Juni 2017, 00:04 Uhr
#Respekt
Regeln für eine respektvolle Kommunikation im Internet. Bild: colourbox.de, OÖN

Die schockierende Kreuzigung eines Kindes, die niemals stattgefunden hat.

Die Geschichte, die die Frau aus dem ostukrainischen Donbass den russischen TV-Journalisten schilderte, klang schockierend: Soldaten der ukrainischen Armee hätten bei der Einnahme der Stadt Slowjansk im Sommer 2014 ein dreijähriges Kind zunächst öffentlich gezüchtigt und danach auf dem zentralen Lenin-Platz gekreuzigt. "Die Mutter musste mit ansehen, wie das Blut aus dem Kind floss", erzählte eine blonde Frau namens Galina Pischnjak, die laut der Darstellung des russischen "Ersten Kanals" aus der Ukraine nach Russland geflohen war. "Es war nicht zum Aushalten."

Konnte das wirklich passiert sein? War die Brutalisierung einer Konfliktpartei nach ein paar Wochen "Antiterroroperation" tatsächlich schon so weit fortgeschritten, dass solche Verbrechen gegen wehrlose Kinder möglich waren? Kaum zu glauben. Andererseits: Der Bericht lief nicht in auf einem obskuren Internetportal, sondern wurde im "Ersten Kanal" des staatlichen russischen Fernsehens gezeigt. In den folgenden Tagen und Wochen verbreitete sich die Geschichte jedenfalls auch im deutschsprachigen Netz. Die Aussage von Galina Pischnjak diente als Beweis für die angebliche Brutalität der ukrainischen Armee gegen Zivilisten und ihren als "Strafaktion" betitelten Einsatz im Donbass.

Allein: Die Kreuzigung hat es nie gegeben. Die Erzählung der Frau war eine Propaganda-Lüge.

Verwirren und verunsichern

Vorsätzliche Falschmeldungen, also Fake News, verzerrende Darstellungen, manipulierte Fotografien, geschönte Statistiken oder bewusste Auslassungen heizen Konflikte an. Weltweit. Sie bestätigen Vorurteile über den "Feind", sie verwirren und verunsichern. Kriege sind immer auch Propagandakriege, nicht erst seit der Ukraine-Krise.

Das Ansinnen, die Meinung der Öffentlichkeit durch Desinformation zu beeinflussen, gibt es schon lange. Warum sind Fake News aber ausgerechnet heute in aller Munde?

Mit dem Internet und sozialen Medien sind neue Kanäle entstanden, die die Verbreitung von Desinformation begünstigen. Inhalte werden in Sekundenschnelle geteilt, ohne dass eine Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt stattfindet. In Foren können (bezahlte oder unbezahlte) Trolle Stimmung für eine Partei machen. Ist einmal eine Information abgesetzt, verbreitet sie sich in Windeseile und kann kaum mehr gestoppt (oder gelöscht) werden. Zweitens ist Information als Ware im Konflikt selbst in den Fokus von Militärstrategen gerückt. Der britische Journalist und Autor Peter Pomeranzev hat in seinem gemeinsam mit Michael Weiss verfassten Bericht, "The Menace of Unreality" den Begriff von "weaponization of information" geprägt: Information, so lautet die These, ist eine Waffe in der hybriden Kriegsführung. Zielte Propaganda darauf, eine angebliche "Wahrheit" zu beweisen, geht es heute darum, wie der frühere Spin-Doktor im Kreml, Gleb Pawlowskij, schreibt, "Wirklichkeiten zu schaffen". Das Ziel ist es, beim Leser oder User den Eindruck zu erwecken, dass es keine Wahrheit mehr gibt. Dieser Gedanke manifestiert sich auch in einem Allgemeinplatz, den man dieser Tage häufig hört: "Alle lügen." Die Wahrheit herausfinden zu wollen, erscheint daher bestenfalls naiv beziehungsweise von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Wie kann man reagieren?

Insbesondere die russische Desinformationskampagne hat die Frage aufgeworfen, wie eine probate Reaktion im Medienbereich aussehen könnte? Während manche Zeitgenossen eine clever gestaltete Gegenpropaganda befürworten, sehen viele Experten nationale Regierungen oder die EU mit einer ansprechenderen Informationspolitik am Zug. Dass auch Medien selbst auf die Krise reagieren, ist an den derzeit allseits beliebten "Faktencheck"-Formaten oder der Gründung von Recherche-Ressorts und -Plattformen sichtbar.

Medienbetriebe sind auch gefordert, verschiedene Zielgruppen besser anzusprechen: Estland hat etwa mit ETV+ einen russischsprachigen öffentlich-rechtlichen Fernsehkanal ins Leben gerufen, der sich an die zahlenmäßig große russischsprachige Minderheit im Land richtet. Diese bezieht ihre Nachrichten größtenteils aus russischen Medien – und damit auch eine Kreml-nahe Sicht auf die baltische und internationale Politik. Auf ETV+ läuft keine antiwestliche Propaganda. Lokale und nationale Nachrichten sowie Unterhaltung stehen im Vordergrund. "Hier ist jeder wichtig!", lautet ein Slogan des Senders.

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