Auch Babys haben ein Recht auf Datenschutz
Eine 18-jährige Kärntnerin verklagt ihre Eltern, weil diese ohne Zustimmung über Jahre hinweg Kinderfotos von ihr auf Facebook veröffentlicht hatten. Diese Hammerstory der Zeitschrift "Die Ganze Woche" schlug kürzlich ordentlich Wellen.
Von "USA Today" bis zur Titelseite der "Süddeutschen Zeitung" – überall wurde die Leidensgeschichte der Anna Maier zitiert, die Mama und Papa vorwirft, "keine Scham und keine Grenze" zu kennen. Nachdem ein Versuch der Nachrecherche durch die "Berliner Morgenpost" im Sand verlief, gibt es mittlerweile Zweifel am Wahrheitsgehalt des Artikels. Trotzdem sagt die Chose natürlich einiges aus: Über die Konstitution der Medien (Copy & Paste aus der "Ganzen Woche"? Echt jetzt?) und über die große Aktualität des Themas.
Denn selbst wenn die Revanche der Schülerin nur ein Produkt enthemmter Boulevarddramatik wäre, liegt so ein Fall doch in der Luft. Früher oder später wird ein Kind gegen die Demolierung seiner Privatsphäre vor Gericht ziehen. Und ich sage Ihnen ganz ehrlich: zurecht. Vielleicht ist es nur meiner subjektiven Wahrnehmung geschuldet, aber mir scheint, noch nie gingen Internetnutzer so freimütig mit Daten ihrer Babys und Kinder um, wie heute. Da werden karottenverschmierte Minimünder, Windelpopos oder stolze Porträts von der ersten Töpfchensitzung gepostet. Und damit sich die Datenkraken nicht nur visuell anfuttern können, wird in der Kommentarfunktion nachgeliefert: Leonie verträgt Karotten ja leider gar nicht, Jakob hat unlängst dafür eine Heuschrecke gegessen, der kleine Tobias fürchtet sich vorm Staubsauger. Grundsätzlich kann ich die Motivation der Eltern sogar nachvollziehen. Ein Kind ist das Allergrößte, und man möchte kaum etwas so gern in die Welt schreien, wie die Freude darüber. Trotzdem bringt der digitale Fußabdruck Gefahren mit sich: Die Betroffenen können später nicht mehr selbst entscheiden, ob und wie sie sich virtuell präsentieren möchten. Ihr Recht auf das eigene Bild wurde ihnen genommen. Und die Verbreitung der Daten ist schier unkontrollierbar.
Theoretisch könnte User XY längst die Fotos Ihrer Sprösslinge heruntergeladen und auf der Küchentüre hängen haben. Theoretisch könnte Facebook-Chef Mark Zuckerberg morgen auch entscheiden, eine Plakatkampagne zum Thema "Mohnzutz macht Spaß" mit dem Antlitz Ihres Babys auszustatten. Die Nutzungsrechte an Bildern teilt man beim Posten nämlich automatisch mit Facebook. Ein Lösungsansatz wäre, Kinder fürs Internet von hinten, seitlich oder im Gegenlicht zu fotografieren. Das gibt dann eventuell ein paar Likes weniger, erspart einem später aber vielleicht auch den einen oder anderen Streit mit dem Nachwuchs.
Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zu Mensch-Roboter-Beziehungen.
Die OÖN-Kolumnistin führt von 27.-29. September am AEC eine Studie zur Bewertung eines neuen Service-Roboters durch. Dafür werden noch Teilnehmer gesucht! Mehr Infos und Anmeldung unter folgendem Link: http://www.aec.at/futurelab/studie/
Ich persönlich finde es absolut nicht in Ordnung, wenn Eltern die Fotos ihrer Kinder in hundertfacher Ausführung und für alle sichtbar veröffentlichen - noch dazu ohne darüber nachzudenken - wer will das sehen und wer nicht, wer sollte es sehen und wer lieber nicht?
Natürlich ist man stolz auf den eigenen Nachwuchs, will lustige und schöne Momente mit anderen teilen, anderen zeigen - verstehe ich vollkommen.
Aber das sollte doch bitte im eigenen Freundes- und Verwandtenkreis passieren, und nicht für alle.
Früher gab es noch die guten, alten Fotoalben. Mit viel Aufwand wurden da stundenlang Fotos hineingeklebt, man hat da oder dort etwas dazugeschrieben, um spezielle Anlässe, lustige und schöne Momente, festzuhalten.
Wäre man früher auf die Idee gekommen, mit solch einem Album quer durch die Stadt zu laufen, und die Fotos allen zu zeigen? Mit Sicherheit nicht - aber genau das wird heute nur in digitaler Form gemacht.