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"Glück ist, meinen rechten Fuß zu spüren"

Von Barbara Rohrhofer, 20. Juni 2017, 00:04 Uhr
"Glück ist, meinen rechten Fuß zu spüren"
Samuel Koch erzählt und lässt seine Assistentin in seinen Büchern blättern. Bild: Alexander Schwarzl

Schauspieler Samuel Koch, der seit einem Unfall bei "Wetten, dass..." im Rollstuhl sitzt, war in Linz zu Gast

Warteschlangen vor der Kirche am Bindermichl in Linz am Sonntagabend. Auch Altbischof Ludwig Schwarz stellt sich an. Drinnen "predigt" Samuel Koch, jener Mann, der 2010 bei "Wetten, dass..." so schwer verunglückte, dass er seither vom Hals abwärts gelähmt ist. Schnell wird die Kirche mit mobilen Rampen rollstuhlgerecht gemacht. Dann kommt der 29-Jährige in seinem "Elektrorollstuhl-Panzer" zum Altar. Er liest, erzählt und beantwortet Fragen zu seinem Leben, das so anders ist als vor dem Unfall. Früher Kunstturner, heute gelähmt und immer auf andere angewiesen. Und trotzdem gibt’s viele Momente des Glücks: Er hat sich verliebt, geheiratet, spielt in TV-Sendungen mit und hat seinen Glauben an Gott niemals verloren. In Linz ist er zu spät angekommen, weil er sich am Vortag in Tirol einen schweren Sonnenbrand am Fuß zugezogen hat, der behandelt werden musste. Kaum auf der Bühne (vor dem Altar), strahlen seine blauen Augen, und er zieht 300 Menschen mit seiner leisen Stimme in seinen Bann.

 

Wie haben Sie die vergangenen Jahre "überlebt"?

Samuel Koch: Es ist bis heute mein persönlicher Super-GAU, mich nicht mehr bewegen zu können. Als Leistungssportler war ich es gewohnt, zwölf Sporteinheiten pro Woche zu absolvieren. Ich hatte immer viel Kraft und Energie, viel Bewegungsdrang. Die Energie hab’ ich noch. Und ich frag’ mich manchmal, wohin mit ihr?

Woher nehmen Sie die Kraft, trotzdem immer weiter zu machen?

Ich weiß als gläubiger Christ, dass dieses Leben nicht alles ist und dass das Beste erst kommt. Außerdem hat sich die Perspektive auf mein Leben verändert. Ich schreibe jetzt Dankbarkeitslisten und kann gar nicht aufhören, dankbar zu sein: für meine Wohnung, das Vogelgezwitscher, den Sonnenaufgang, den Pfefferminztee, für meine Frau Sarah, meinen Bruder Jonathan, der hier am Klavier sitzt, meinen Vater, der mich auf meiner Tour begleitet.

Ist es für Sie möglich, trotzdem glücklich zu sein?

Ich versuche, möglichst viele Glücksmomente zu erhaschen. Aber Glück ist doch für jeden etwas anderes – für die einen ist es vegane Ernährung, ein schlanker Körper, für andere völlige Gesundheit. Kann ich, der ich hier im Rollstuhl sitze, also nie wieder glücklich sein? Ich probiere es mit der kleinen Schwester des Glücks, mit der Zufriedenheit. Ich bin beispielsweise sehr zufrieden, wenn ich niesen kann und nicht aus dem Rollstuhl kippe, weil die Menschen um mich merken, dass es mich in der Nase juckt, und meinen Rumpf stützen. Die Muskeln dort sind gelähmt, einzig Kopf- und Halsmuskulatur funktionieren.

Was würden Sie tun, wenn Sie plötzlich wieder gehen könnten?

Ich würde die Arme verschränken, würde meiner Familie zuwinken und zu einem Waldlauf aufbrechen, mich an einen Baum lehnen, seine Rinde angreifen und spüren, und die Beine überkreuzen, weil ich es ganz einfach könnte...

Haben Sie diese Hoffnung?

Man darf sie nicht aufgeben, auch wenn mir der Verstand dazu rät.

Wie spüren Sie Ihren Körper?

Ich habe wieder ein Gefühl im rechten Fuß, kann die linke Zehe bewegen und habe andere Inseln im Körper, die ich spüre. Das gibt Hoffnung und Glück.

Stellen Sie sich oft die Frage, warum gerade ich?

Ich hab’ gehadert, gezweifelt und die Warum-Frage verschoben, die hat für mich keinen Sinn. Jeder Mensch wird in seinem Leben mit Schicksalsschlägen konfrontiert, niemand wird vorher gefragt, wirklich niemand ist dagegen gefeit. Vielleicht sollte man statt "Warum?" einfach "Wozu?" fragen. Das ist einfacher.

Kennen Sie die österreichische Sportlerin Kira Grünberg, die eine ähnliche Verletzung erlitten hat wie Sie?

Ja, ich hab’ gestern in Tirol mit ihr gesprochen. Sie hatte etwas mehr Glück als ich. Sie kann selbst essen und trinken, dabei kann sie nur einen Muskel mehr bewegen als ich.

Haben Sie einen Tipp, wie Menschen es schaffen können, trotz aller Widrigkeiten den Mut nie zu verlieren?

Ich kann nur sagen: Es gibt kein Patentrezept. Das Einzige, das ich sagen kann: raus aus dem Wohlfühlbereich, gehen Sie raus, besuchen Sie Freunde und Feiern. Auch wenn die Party im fünften Stock ohne Lift stattfindet. Ich versuche, mir ein Stück Himmel auf dieser Erde zu schaffen.

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2  Kommentare
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GunterKoeberl-Marthyn (17.943 Kommentare)
am 07.07.2017 10:38

Ich freue mich immer, wenn ich Samuel sehe und ich habe die Sendung des Unfalls nicht gesehen, bei "Wiederholungen" schalte ich um, weil er jetzt für die Menschen viel bewegen kann und seine Sensibilität zeigt uns auf, wie viel Liebe und Zärtlichkeit in einem Menschen steckt und viele Menschen diese Fähigkeit leider verloren haben und für die Anderen es eine Bestätigung ist, diesen Weg in der Gefühlsebene, wie Samuel zu gehen, aber man auch Tage braucht, um mit Grobheiten mancher Menschen umgehen zu können! Wie leer es hier bei den Kommentaren ist, erschreckt mich ein wenig, obwohl hier die Grundlage angeführt wird, wie wir miteinander auch hier im OÖN Forum umgehen sollten! Schönes Wochenende!

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tarantella (876 Kommentare)
am 20.06.2017 22:23

man ist direkt beschämt, weil man selbst etwas als selbstverständlich nimmt, was für Herrn Koch ein Wunder wäre ... ich wünsche ihm und allen Tetraplegikern, dass die Forschung noch so weit kommt, dass diese Patienten ihre Bewegungsfreiheit so weit wie möglich zurück bekommen ...

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