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Taub, blind und sehr erfolgreich

Von Barbara Rohrhofer, 28. Juni 2017, 00:05 Uhr
Taub, blind und sehr erfolgreich
Bild: Weihbold

Wie kann es ein taubblinder Mensch schaffen, eine Firma zu gründen und seine Produkte weltweit persönlich zu vertreiben? "Alles geht", sagt Bapin Anindya Bhattacharyya. Er hat den großen Wunsch, dass Betroffene ein Leben abseits der Isolation führen können.

Manche Menschen jammern, wenn ihnen eine Kleinigkeit gegen den Strich geht, wenn ihre Schuhe drücken, der kleine Finger schmerzt, das Wetter zu heiß, zu kalt, zu nass ist. Anindya "Bapin" Bhattacharyya klagt niemals und hätte eigentlich allen Grund dazu. Der 46jährige, gebürtige Inder ist taubblind – kann diese Welt also weder sehen noch hören. Er wurde in der Nähe von Kalkutta geboren. Seine Eltern erkannten, dass das Leben ihres Sohnes, der taub geboren wurde und im Alter von neun Jahren durch einen Unfall völlig erblindete, nur durch Bildung "gerettet" werden konnte.

Der Bub erhielt ein Stipendium für eine Schule für Blinde in den USA. Dort lernte er Englisch, die Blindenschrift Braille und die amerikanische Gebärdensprache. "Schließlich habe ich sogar ein Studium absolviert", erzählt er bei seinem Vortrag im Seminarzentrum des Krankenhauses Barmherzige Brüder in Linz, wo auch die Abteilung für Sinnes und Sprachneurologie sitzt.

Bapin hat selbst keine Stimme

"Erzählen" klingt bei Bapin allerdings viel zu unkompliziert. Ein Gespräch mit ihm sieht so aus: Man stellt die Frage auf Englisch. Die "Dolmetscherin" übersetzt mit taktiler Gebärdensprache, also gibt ihm "Zeichen" in seine Hand. Bapin antwortet mittels "Handberührung", die Dolmetscherin spricht schließlich aus, was er meint. Sie ist die "Stimme" jenes Mannes, der selbst keine hat und trotzdem viel von sich gibt. Seit 1999 arbeitet er als Lehrer für unterstützende Technologien am Helen Keller National Center in New York. Vor vier Jahren hat er seine eigene Firma gegründet und ist Händler für technologischen Bedarf und Software für Taubblinde. "Ja, ich hab ein Start-up-Unternehmen mit zwei Mitarbeitern", erzählt er und strahlt. Ob er so manches Mal mit seinem Schicksal hadert? "Nein, das Leben hat mir trotzdem so viele positive Dinge gebracht. Ich würde niemals der sein, der ich heute bin, wenn ich hören und sehen könnte", sagt der verheiratete Mann, der einen achtjährigen, gesunden Sohn hat. Seine Reisen führen Bapin in viele Länder dieser Erde, oftmals mit Unterstützung so genannter Taubblinden-Assistenten, die ihm zur Seite stehen und Kommunikation mit der Umwelt möglich machen. Der 46-Jährige will das Selbstbewusstsein von Taubblinden stärken und zeigen, dass Betroffene mittels moderner Technologien (iPhone, Apps und Braille-Übersetzer) viel besser dran sind als noch vor wenigen Jahren. Weitere Hilfsmittel, die Bapin vertreibt: Eine Spezial-Uhr für Menschen, die weder hören noch sehen können, zeigt die Zeit mittels Vibrationen an. Oder aber ein Türöffner, der ebenso auf Vibrationen basiert. "Heute kann ich beispielsweise alleine fliegen. Früher haben sich viele Airlines geweigert, Taubblinde alleine zu transportieren. Außerdem mach ich mittels iPhone meine Bankgeschäfte selbst, kann Mails schreiben und empfangen." Wenn er etwas nicht selbst kann, kommt ihm seine Dolmetscherin zur Hilfe.

Mehr Selbstbewusstein für Betroffene

"In Österreich ist es derzeit noch nicht möglich, Dolmetscher mit entsprechenden Kenntnissen für Taubblinde zur Verfügung zu stellen", sagt Victoria Gebetsberger, die die Ausbildung zum "Taubblinden-Dolmetscher" und das erste Taubblinden-Camp in Oberösterreich organisiert hat. Seit Herbst 2016 finanziert das Land Oberösterreich eine entsprechende Weiterbildung. "Die starke Einbindung von taubblinden Menschen in den Kursen steigert deren Selbstbewusstsein. Parallel dazu entsteht gerade eine echte Bewegung von Taubblinden in Österreich, die gemeinsam versuchen, einen Weg aus ihrer oft jahrelangen Isolation zu finden", sagt Gebetsberger, die viele Geschichten erzählen kann von taubblinden Menschen, die völlig abgeschottet ihr Leben fristen. "Das muss sich ändern", meint auch Bapin und lächelt, also wolle er sagen: Nur nicht aufgeben, weitermachen, weiterbilden und den Lebensmut nicht verlieren.

Taubblind sein

Ein Leben in absoluter Stille, Dämmerung oder völliger Finsternis, ohne Musik, ohne Farben und Bilder ist für sehende und hörende Menschen unvorstellbar. Die Welt taubblinder Menschen erschließt sich nicht über Augen und Ohren. Ihre Welt ist eine Welt der Nähe. Ihre Wahrnehmung funktioniert über Tasten, Riechen und Schmecken. Taubblinde Menschen ergreifen ihre Umgebung, Kommunikation findet über taktile Gebärdensprache oder das Lormen (Handalphabet) statt.

Es wird geschätzt, dass es in Österreich 1400 taubblinde Menschen gibt, genaue Statistiken existieren nicht. „Aber die Dunkelziffer der Menschen mit hochgradigen Hör-Seh-Beeinträchtigungen liegt sicher höher“, sagt Anita Schachinger, Vertreterin des Forum für Usher-Syndrom, Hörsehbeeinträchtigung und Taubblindheit.
Die Gründe für diese Beeinträchtigung sind vielfältig und reichen von Röteln in der Schwangerschaft bis zu einem Gendefekt, der sich Usher-Syndrom nennt.

 

 

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4  Kommentare
4  Kommentare
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nordlicht (1.471 Kommentare)
am 28.06.2017 09:07

Was für ein bewundernswerter Mensch! Meinen allergrößten Respekt. Sie sind ein Vorbild.

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oblio (24.740 Kommentare)
am 28.06.2017 07:05

Was die Unterstützung, auch der Weitblick
der Eltern, alles ausgemacht hat, ist sicher
so etwas wie ein Wunder!
Empathie ist Voraussetzung für die Arbeit
mit Menschen mit speziellen Bedürfnissen!
Meine Hochachtung vor den Lehrenden
und weiter viel Erfolg für die Betroffenen,
speziell für Herrn Bapin Anindya Bhattacharyya!

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( Kommentare)
am 28.06.2017 06:42

Unvorstellbar für einen sehenden und hörenden Menschen, wie man ohne diese Sinne das Leben meistern kann.

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mitreden (28.669 Kommentare)
am 28.06.2017 07:43

faszinierend, was dieser Mensch leistet. grinsen

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